Polit-Youngsters lancieren das Insta-Parlament
Die jungen Neo-Parlamentarier bringen frischen Wind – und machen mit ihren Handys und Social-Media-Posts die dicken Bundeshaus-Wände ein bisschen durchsichtig.
Das Wichtigste in Kürze
- Sieben unter 30.-Jährige sitzen im Parlament. Sie bringen neue Ideen – und Gewohnheiten.
- Die Eindrücke aus ihrem Alltag als Parlamentarier teilen die Jungen via Social Media.
- Dadurch entsteht in der politischen Kommunikation eine neue Nähe zu den Wählern.
Seit Montag tagt das frisch gewählte Parlament. Die neue Legislatur hat das Parlament verjüngt. Stände- und Nationalrat sind so jung wie noch nie. Das Durchschnittsalter liegt bei 49 Jahren.
Vertreten sind nicht nur Mitdreissiger, sondern auch die ganz Jungen. Vier Nationalrätinnen und drei Nationalräte sind noch keine dreissig. Und auch der Ständerat wird verjüngt. Mit Lisa Mazzone (Grüne) und Johanna Gapany (FDP) ziehen zwei 31-jährige Frauen ins Stöckli.
Das Parlament ist so jung wie nie
Wie wird sich die Schweizer Polit-Landschaft verändern, wenn nicht mehr nur die älteren Semester mitreden dürfen? Es werden Themen zur Diskussion kommen, die die Jugend beschäftigen. Um aber eine tatsächliche Veränderung herbeizuführen, muss es den jungen Parlamentariern gelingen, ihre Altersgenossen zu mobilisieren.
Eine Möglichkeit dazu: Sie auf jenen Kanälen anzusprechen, auf denen sie sich so oder so bereits tummeln. Bei den unter 30-Jährigen ist das manchmal Facebook, öfter Twitter oder TikTok und fast immer Instagram.
Hier landen üppig inszenierte Ferienbilder ebenso wie Schnappschüsse aus dem Alltag. Eine merkwürdige Situation? Ein lustiger Moment auf Video? Ein wichtiger Augenblick – oder einfach das aktuelle Mittagessen? Alles Material für Instagram.
Alles Material für Instagram
Das finden nicht nur die Jugendlichen schweizauf, schweizab. So halten es auch die jungen Parlamentarier in Bern. Sie posten regelmässige Schnappschüsse und Eindrücke aus ihrem neuen Parlamentsalltag.
Einladung zum Vernetzungsanlass mit @interpharma_ch . Ich gehe wohl nicht hin. Die Chemie zwischen uns stimmt einfach nicht. #badjokethursday @Lobbywatch_CH @lobbycontrol
— Meret Schneider (@Schneimere) December 5, 2019
Da zückt Andri Siblerschmidt (25, FDP) etwa beim Arbeitsfrühstück mit Ignazio Cassis und der FDP-Fraktion kurz das Handy. Das Bild postet er in seiner Instagram-Story. Es wird nun 24 Stunden sichtbar sein. Dann verschwindet es wieder, wird ersetzt durch neue Eindrücke und Schnappschüsse.
Die Grüne Meret Schneider (27) lässt ihrem Ärger auf Facebook freien Lauf: «Der Nationalrat hätte heute die Möglichkeit gehabt, das Risiko von Pflanzenschutzmitteln durch Überprüfung von 30 statt 20 Wirkstoffen zu senken. Minderheitsantrag leider abgelehnt, verpasste Chance!», schreibt sie in einem Post. Dazu zwei Bilder direkt aus dem Parlament: die Angaben zu den Ja-, Nein- und Enthaltungs-Stimmen.
Junge machen Parlamentswände durchsichtiger
Schneider und Silberschmidt, nicht nur Rats-, sondern vor vielen Jahren auch Kindergartengspändli, gehören zu den aktivsten neuen Jungen. Ihnen dicht auf den Fersen ist die ehemalige Juso-Präsidentin Tamara Funiciello. Ihr musste niemand mehr verraten, dass die sozialen Medien einen wunderbaren Verteiler darstellen.
Aber auch die bereits geübten Jungen im Rat, etwa Samira Marti (25, SP), Fabian Molina (29, SP), posten fleissig aus ihrem Polit-Alltag. Damit verändern sie eines auf jeden Fall: die althergebrachten Kommunikationswege.
Auch wenn die Filter von Instagram und Co. über den Schnappschüssen aus dem Parlament liegen: Sie machen die nationale Politik fassbarer. Und tragen sie womöglich auch näher an die jungen Wähler.
Junge halten zusammen
Die Jungen selber haben bereits ein Versprechen mitgebracht. Anders als die Alten, betonen sie, wollen sie überparteilich zusammenarbeiten. Nägel mit Köpfen machten dazu Andri Silberschmidt (25, FDP), Franziska Ryser (28, Grüne) und der wiedergewählte Mike Egger (27, SVP). Die drei haben im Berner Marzili-Quartier eine Polit-WG gegründet.
Die Zeit wird zeigen, wie weit der gemeinsame Küchentisch die Zusammenarbeit zwischen FDP, Grünen und SVP fördert. Eines aber scheint wahrscheinlich: Dass wir in den sozialen Medien auch darüber auf dem Laufenden gehalten werden. Wer weiss, vielleicht bald auch via Polit-WG Instagram-Account.