Wie gehts dir? Viele Schweizerinnen und Schweizer antworten auf diese Frage mit der Höflichkeits-Floskel «gut», obwohl es innendrin anders aussieht.
Das Wichtigste in Kürze
Über 5000 Schweizer nahmen an der Online-Studie teil.
Zwei von drei Befragten kämpften schon einmal mit längeren psychischen Tiefphasen.
Die wenigsten getrauen sich darüber zu reden, aus Angst vor Reaktionen aus dem Umfeld.
Die Stiftung Pro Mente Sana wollte wissen, wie es den Menschen in der Schweiz wirklich geht. Darum beauftragte sie die Forschungsstelle sotomo, die psychische Stimmungslage zu messen. Über 5500 Menschen nahmen an der Studie teil und gaben online an, wie es wirklich um ihre Stimmung steht und ob sie mit ihrem Umfeld über psychische Probleme reden.
Floskelantwort «gut»
Obwohl die meisten Befragten auf die Frage «Wie gehts?» mit «gut» oder sogar «sehr gut» antworten, zeigt sich nach spezifischer Nachfrage, dass sich rund 1/5 in einem emotionalen Tief befinden. Zwei von drei Personen geben sogar an, dass sie in ihrem Leben schon Phasen hatten, in denen es ihnen stimmungsmässig nicht gut ergangen war.
Überlastung und Stress als Hauptgründe
42 Prozent der Teilnehmenden geben an, dass Stress bei der Arbeit Hauptauslöser für ihre schlechte Stimmung ist. Zwischenmenschliche Konflikte landen auf Platz 2. Auffallend ist hier der Unterschied zwischen Mann und Frau. Während fast jede zweite Frau in den letzten 12 Monaten an Stress und Überlastung gelitten hat, waren es bei den Männern etwas mehr als ein Drittel. Nur bei den materiellen Sorgen gibt es keine Geschlechterunterschiede.
Angst als «nicht leistungsfähig» zu gelten
70 Prozent haben Angst vor der Reaktion ihres Umfeldes, wenn sie offen darüber reden würden, dass es ihnen momentan nicht gut geht. Am grössten ist die Angst davor, dann als nicht leistungsfähig eingeschätzt zu werden. Im emotionalen Tief als «labil und schwach» zu gelten, fürchten rund 40 Prozent der Befragten.
So reagieren Sie richtig
Geht es einer betroffenen Person psychisch nicht gut, wünschen sich die meisten, ernst genommen zu werden und dass man ihnen zuhört. Auf die Psyche angesprochen zu werden wünscht sich aber nur gerade jede vierte Person. Wie die Studie zur Stimmungslage weiter zeigt, öffnen sich nur gerade ein Drittel aller Schweizerinnen und Schweizer gegenüber ihren Freunden.
Die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz lancierte heute die schweizweite Kampagne «Wie geht's dir?». Sie will damit auf die Verbreitung psychischer Probleme aufmerksam machen und die Menschen dazu bewegen auch offen darüber zu reden. - celinebrunner
Die Stimmungslage hängt vom Alter und vom Geschlecht ab. Männer geben häufiger an, dass es ihnen «sehr gut» geht als Frauen. Ältere Menschen sind häufiger in guter Stimmung als jüngere. Ausserdem wirkt sich eine feste Beziehung positiv auf die Stimmungslage aus. - Forschungsstelle sotomo
Tendenziell steigen die beiden Kurven mit dem Alter an, wobei es in fast allen Lebensabschnitten mehr Männer als Frauen gibt, denen es «sehr gut» geht. Auffällig ist allerdings eine Art Midlife-Crisis-Knick bei Männern zwischen 46 und 55 Jahren. Ihren stimmungsmässigen Höhepunkt erreichen Frauen und Männer zwischen 66 und 75 Jahren. Danach nimmt der Anteil derer, denen es «sehr gut» geht, insbesondere bei den Frauen wieder ab. Es ist dies ein Lebensalter, in dem viele Frauen ihre Partner verlieren. - Forschungsstelle sotomo
Männer geben fast ebenso häufig wie Frauen an, sich aktuell in einem psychischen Tief zu befinden. Dennoch sind Männer weniger häufig als Frauen der Ansicht, dass sie früher einmal ein längeres Tief erlebt hatten. - Forschungsstelle sotomo
Michael Hermann vom Forschungsinstitut sotomo präsentierte heute die Resultate zur Onlineumfrage. - celinebrunner
Generell geben Frauen deutlich häufiger als Männer an, dass sich bestimmte Faktoren negativ auf ihre emotionale Grundstimmung ausgewirkt haben (Abb. 8). Fast jede zweite Frau hat in den vergangenen 12 Monaten an Überlastung/Stress gelitten, während es bei den Männern nur etwas mehr als ein Drittel war. Bei den wichtigen Belastungsfaktoren zeigt sich einzig bei den materiellen Sorgen kein Geschlechterunterschied. - Forschungsstelle sotomo
Für jede zweite Person ist das «akzeptiert werden, wie ich bin» eine wichtige Voraussetzung für das psychische Wohlergehen. Besonders häufig wird dieser Aspekt von älteren Menschen, von Personen mit einem eher tiefen Bildungsniveau sowie von Singles erwähnt. Nur von rund einem Drittel werden jene Bedürfnisse genannt, die oben in Maslows Bedürfnishierarchie stehen: Nämlich «Anerkennung für Leistung» sowie «sinnvolle Tätigkeiten». - Forschungsstelle sotomo
Wenn es ihnen psychisch nicht gut geht oder gehen würde, wünschen sich die Befragten zuallererst, dass ihr Umfeld sie ernst nimmt und man ihnen zuhört. Verbreitet ist zudem der Wunsch, dass man Unterstützung anbietet. Nur eine Minderheit wünscht sich, dass die Menschen in ihrem Umfeld Handlungsmöglichkeiten vorschlagen oder sie mit Fachpersonen in Kontakt bringen. - Forschungsstelle sotomo