Rekord: Mehr als jeder Fünfte löst Lehrlingsvertrag auf
Über 20 Prozent aller Lehrlinge lösen ihren Vertrag auf. Gemäss Pro Juventute spielt der mentale Aspekt und das Wesen der Generation Z eine Rolle.
Das Wichtigste in Kürze
- 22,4 Prozent aller Lehrverträge werden aufgelöst – das ist ein Rekord.
- In gewissen Berufen sind es gar fast die Hälfte, bei anderen wenige als zehn Prozent.
- Laut Pro Juventute-Vizedirektor Mettler will die Generation Z einen sinnstiftenden Beruf.
Mit bloss 14 oder 15 Jahren müssen sich viele Schweizer Jugendliche für einen Beruf entscheiden und eine Lehre beginnen. Dass dabei nicht immer die richtige Entscheidung getroffen wird, zeigen nun Zahlen des Bundesamts für Statistik, über die «Tamedia» berichtet: 11'810 Lehrlinge, die 2017 ihre Ausbildung begonnen haben, haben den Vertrag aufgelöst.
Die Quote von 22,4 Prozent im Jahr 2021 bedeutet einen Anstieg um 0,9 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Nach einer Vertragsauflösung wird eine Lehre in einem anderen Beruf neu begonnen oder einem anderen Betrieb fortgesetzt. Lehrabbrüche, also vollständige Ausstiege aus der beruflichen Grundbildung, sind mit 4,4 Prozent seltener, aber ebenfalls ansteigend.
Je nach Lehre unterscheidet sich die Vertragsauflösungs-Quote stark: Bei kaufmännischen Ausbildungen oder Physiklaboranten ist sie tief, bei handwerklichen Berufen hoch. Fast die Hälfte der angehenden Abdichter oder Gipser lösen ihren Lehrvertrag auf.
Bei den Karosserielackierern liegt die Quote bei 42,9 Prozent. Es sind Zahlen, die Reto Hehli, Leiter Berufsbildung beim Verband Carrosserie Suisse, «weh tun». Sie hätten direkte Auswirkungen auf den Fachkräftemangel.
Als Grund für die hohe Quote nennt er falsche Vorstellungen: «Viele Lernenden sind erstaunt, wenn sie mehrheitlich den ganzen Tag stehen und allenfalls schwere Türen anheben müssen.» Auch Allergien auf Staub oder Lösungsmittel führten zu Vertragsauflösungen.
Falsche Berufs- oder Lehrstellenwahl nennen auch kantonale Behörden, die jede Vertragsauflösung festhalten, als Grund. Des Weiteren werden Gesundheit, Leistungen der Lehrlinge oder Pflichtverletzungen, Konflikte und privates Umfeld angegeben.
Pro Juventute-Vizedirektor: Generation Z will sinnstiftenden Beruf
Marco Mettler, Vizedirektor von Pro Juventute, ist über die höhere Quote nicht erstaunt. Er verzeichnet einen Anstieg an Beratungsstunden von Jugendlichen seit 2020. Immer öfters gehe es um Angst, junge Menschen stünden in einer «Multikrise»: Klimawandel, Corona-Pandemie und nun der Ukraine-Krieg, der in Zukunft prägen werde.
Zudem habe sich das Wesen der Jugendlichen gewandelt, so Mettler. Die Generation Z, Jahrgänge geboren nach 1997, suche häufiger einen sinnstiftenden Beruf. Sie wolle «nicht einfach eine billige Arbeitskraft sein».
Mettler hebt auch den mentalen Aspekt hervor. Mit den Jungparteien hat Pro Juventute auf die erhöhte psychische Belastung aufmerksam gemacht. Mit Verstössen in kantonalen Parteien wollen sie die Soforthilfe für Unterstützungsangebote erhöhen.
Damit würde auch das Problem der vielen Vertragsauflösungen von Lehrlingen angegangen. Denn, wenn es den jungen Menschen besser gehe, werde es auch weniger Lehrvertragsauflösungen geben, so Mettler.