Russische Strahlenangriffe liefen teilweise auch über Genf

Simon Binz
Simon Binz

Genève,

Der russische Militärgeheimdienst soll für das «Havanna-Syndrom» verantwortlich sein. Verantwortliche Agenten sollen sich auch in Genf aufgehalten haben.

Zentrale des Geheimdiensts GRU in Moskau
Zentrale des Geheimdiensts GRU in Moskau - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Recherche legt nahe, dass die Russen für das Havanna-Syndrom verantwortlich sind.
  • Die Spezialeinheit 29155 soll sich häufig in nächster Nähe zu den Opfern befunden haben.
  • Verantwortliche Agenten sollen sich teilweise auch in Genf aufgehalten haben.

Die russischsprachige Investigativplattform «The Insider» hat zusammen mit der «60 Minutes» und dem «Spiegel» eine vertiefte Recherche zum Havanna-Syndrom veröffentlicht. Diese soll zeigen, dass es sich bei dem Phänomen, wie schon länger vermutet, tatsächlich um gezielte Angriffe eines feindlich gesinnten Geheimdienst handelt.

Demnach steckt dahinter mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Spezialeinheit des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Diese Einheit mit der Nummer 29155 soll mit elektromagnetischer Energie oder Mikrowellen das zentrale Nervensystem ihrer Zielpersonen angegriffen haben.

Haben Sie schon vom Havanna-Syndrom gehört?

Bei den Angriffen, die stechende Kopfschmerzen, Übelkeit und den Verlust des Gleichgewichtssinn auslösen, wurde stets das Personal von US-Vertretungen ins Visier genommen. Zum Teil trugen die Betroffenen demnach dauerhafte Schäden davon. Wie es in dem Bericht heisst, mussten viele Opfer des Havanna-Syndroms von ihren Posten abgezogen werden und leiden bis heute unter den Folgen.

Sogar in der Schweiz wurden vor einigen Jahren einige Fälle des Havanna-Syndroms bekannt. Laut dem «Wall Street Journal» hatten sich bis 2019 in der Genfer US-Mission drei amerikanische Staatsangehörige mit den entsprechenden Symptomen gemeldet. Eine Person wurde zur medizinischen Behandlung in die Vereinigten Staaten geflogen.

Mitglieder von Spezialeinheit befanden sich in nächster Nähe zu Opfer

«The Insider» fand anhand von Flugdaten und den Log-Informationen von Mobiltelefonen heraus, dass sich Mitglieder der russischen Spezialeinheit häufig in nächster Nähe der Opfer des Syndroms befanden – genau zu dem Zeitpunkt, als diese plötzlich einen stechenden Schmerz im Kopf spürten.

Als Beispiel wird folgender Fall erwähnt: Die Frau eines US-Diplomaten bei der Botschaft im georgischen Tiflis holte im Oktober 2021 die Wäsche aus dem Trockner als sie sich plötzlich fühlte, als würde ihr Kopf explodieren. Als die Frau aus ihrem Haus rannte, sah sie auf der anderen Strassenseite einen schwarzen Mercedes und davor einen grossen blonden Mann, der rasch ins Auto stieg und davonraste.

Den Mann mit dem markanten Aussehen konnte die Frau anhand von Fotos als Albert Awerjanow identifizieren. Dessen Vater, Andrei Awerjanow, war GRU-Offizier und Mitbegründer der berüchtigten Einheit 29155. Die Einheit wird zur Verfolgung und Ausschaltung von Personen eingesetzt, die der russische Machtapparat als Feinde oder Verräter betrachtet.

UN-Mission in Genf wichtiger Ort für Einheit 29155

Agenten der Einheit 29155 haben im Jahr 2018 in Südengland etwa versucht den Doppelspion Sergei Skripal mit Nowtischok zu töten. Die drei Attentäter hatten sich in den Monaten vor dieser Tat mehrfach am Genfersee aufgehalten. Mehrere ihrer Namen tauchen nun auch in den Recherchen rund um das Havanna-Syndrom auf.

Ausserdem haben die Männer noch etwas gemeinsam: Die meisten von ihnen verbrachten vor den Anschlägen längere Zeit in Genf. Entweder als Mitarbeiter der russischen Mission bei den Vereinten Nationen oder um vermeintlich Englisch zu studieren. So auch Albert Awerjanow, der im Oktober 2021 in Tiflis erkannt wurde.

Wladimir Putin
Putins Spezialeinheit könnte gezielt Angriffe verübt haben. Das legt eine Recherche nahe. - keystone

Er hatte zwei Jahre zuvor gemäss «The Insider» ein Geheimpraktikum beim Genfer Ableger der Einheit 29155 absolviert. Für ein angebliches Englischstudium hätte es für den erst 20-Jährigen bessere Orte gegeben als die französischsprachige Schweiz. Doch die UN-Mission in Genf war offenbar ein wichtiger Ort für die berüchtigte Einheit 29155.

Erste Attacken mit Mikrowellen bereits 2014

Einer der Schlüsselmänner der Einheit war ab 2017 bei der UN-Mission in Genf akkreditiert gewesen. Egor Gordienko, ein GRU-Oberst, soll in der Schweiz unter der Tarnung eines Diplomaten bei der Welthandelsorganisation operiert haben. Laut «The Insider» war er für den jungen Agenten Albert Awerjanow eine Art Mentor.

Gordienko gilt mutmasslich als einer der Täter, die in Bulgarien versuchten, einen Waffenhändler zu töten. Involviert soll er gemäss den neuen Enthüllungen auch in Attacken mit Mikrowellen in Frankfurt – diese ereigneten sich bereits 2014 – gewesen sein. Eines der Opfer hatte den Russen demnach auf einem Foto identifizieren können, berichten die involvierten Medien.

Seinen Posten in der Schweiz verliess der Undercover-Diplomat 2018 vorzeitig und abrupt. Zuvor waren Medienberichte über die Genf-Reisen der mutmasslichen Skripal-Attentäter erschienen. Ausserdem wurde publik, dass sich Gordienko zur selben Zeit in Bulgarien aufgehalten hatte, als der Waffenhändler vergiftet worden war.

Kommentare

User #3023 (nicht angemeldet)

warum ist die menschheit so zerstörerisch geworden?! wo ist die Lebensfreude geblieben!! es herrscht nur noch macht und Geldgier!!

Contamination

Dem Schweizer Nachrichtendienst dürfe mit den russischen Spionen, den kurdischen und libanesischen kriminellen Clans, den türkischen Grauen Wölfen und der YPG, der PKK, der nigerianischen, maghrebinischen und tschetschenischen Mafia, den hunderttausenden kriminellen Illegalen sowie der Antifa und den Islamisten bis mindestens ins Jahr 2060 die Arbeit nicht ausgehen…

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