Schlechte Spermienqualität in der Schweiz beunruhigt Forschende
In Industrieländern geht es mit der Spermienqualität bergab. Forschende haben das Ejakulat junger Schweizer untersucht: Auch hierzulande sieht es nicht gut aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweizer Spermienqualität ist im Europavergleich eher schlecht.
- Jedoch wird sie auch in anderen Industrieländern immer schlechter.
- Auch Frauen werden im Alter immer weniger fruchtbar.
Ein Forschungsteam um Serge Nef von der Universität Genf hat die Spermienqualität bei rund 2500 Schweizern untersucht. Die Probanden waren zwischen 18 und 22 Jahre alt.
Im Fokus standen Kennwerte wie die Konzentration, die Beweglichkeit und das Aussehen (Morphologie) der Samenzellen. Bei mindestens 60 Prozent der Männer lag mindestens einer dieser Kennwerte unter der von der WHO festgelegten Norm. Dies teilte die Hochschule am Mittwoch mit.
Gemäss dieser Normwerte sollte ein Milliliter Ejakulat mindestens 15 Millionen Samenzellen enthalten. 32 Prozent der Spermien sollte sich vorwärts bewegen und mindestens 4 Prozent sollten eine normale Form aufweisen.
Im Europavergleich eher schlecht
Laut der im Fachblatt «Andrology» veröffentlichten Studie hatte jeder sechste Schweizer weniger als 15 Millionen Spermien pro Milliliter Ejakulat.
Jeder Vierte hatte weniger als 40 Prozent beweglicher Samenzellen. 40 Prozent der Männer hatte weniger normal geformte Spermien als die von der WHO festgelegten 4 Prozent. Insgesamt lag bei 60 Prozent der jungen Männer mindestens ein Wert unter der Norm. Bei 5 Prozent waren sogar alle drei Kennwerte schlechter.
Im europäischen Vergleich liegen Schweizer Männer damit eher am unteren Rand des Spektrums. Also etwa gleichauf mit Deutschland, Dänemark und Norwegen.
Frühere Studien hatten während der vergangenen Jahrzehnte bereits einen Rückgang der Spermienqualität in Industrieländern festgestellt. Während der letzten Jahrzehnte halbierte sich demnach die Spermienkonzentration von 99 Millionen auf 47 Millionen pro Milliliter.
Es wurden schweizweit Männer während ihrer Militäraushebung zu Gesundheit, Lebensgewohnheiten, Ernährung und Ausbildung befragt. Für die Studie wurden sie schliesslich um eine Spermaprobe gebeten. Ausserdem wurden die Eltern zu Faktoren während der Schwangerschaft befragt, die die Spermienqualität des Sohnes hätten beeinflussen können.
Spermienqualität in kritischem Zustand
Studienautor Alfred Senn mahnte zur Vorsicht bei Aussagen zu einzelnen Spermienproben. Diese liessen keine genauen Rückschlüsse auf die Fruchtbarkeit einer Person zu.
«Aber, gesamthaft gesehen, deuten die Resultate darauf hin, dass die Spermienqualität der jungen Schweizer Männer in kritischem Zustand ist.» Das bedeute, dass ihre künftige Zeugungsfähigkeit höchstwahrscheinlich beeinträchtigt sein wird.
Die niedrigen Spermienzahlen bei jungen Männern in der Schweiz habe eine Auswirkung auf Empfängnisrate und Nachkommen.
Möglicher Zusammenhang mit Hodenkrebs
Es könnte einen Zusammenhang mit einer Zunahme von Hodenkrebs-Fällen in der Schweiz geben, schrieb die Uni Genf. Diese hätten in der Schweiz seit über 35 Jahren zugenommen. Der Zusammenhang zwischen Spermienqualität und Hodenkrebs solle weiter untersucht werden.
Einen klaren Zusammenhang zwischen verminderter Spermienqualität und Umweltfaktoren stellten die Forschenden bei Nikotinkonsum der Mutter während der Schwangerschaft fest: Rauchte die Mutter während der Schwangerschaft, wiesen die inzwischen erwachsenen Söhne eine geringere Samenqualität auf.