Schwanden GL: Geologe sah Murgang voraus – und kritisiert Gemeinde
Am 29. August hat ein Erdrutsch Teile des Dorfes Schwanden GL erschüttert. Ein Geologe warnte davor schon vor Monaten – doch niemand hörte zu.
Das Wichtigste in Kürze
- In Schwanden GL kamen bei dem Erdrutsch am 29. August 30'000 Kubikmeter Geröll herunter.
- Weitere 60'000 Tonnen könnten noch vom Hügel abrutschen.
- Ein Geologe äussert jetzt Kritik gegenüber der Gemeinde.
Der Erdrutsch in Schwanden GL am 29. August hat das Landschaftsbild verändert: Wo einst eine grüne Wiese war, erstreckt sich heute eine 400 Meter lange Schlammgrube. 30'000 Kubikmeter Geröll haben sechs Häuser komplett eingenommen und 38 weitere teilweise zerstört.
Doch der Hang rutscht weiter, zuletzt in der Nacht auf Montag. Bis zu 60'000 Tonnen Geröll könnten sich noch vom Hang lösen. Eine Prognose darüber, wie lang der Zustand noch andauert, kann niemand geben – nicht mal Geologe Mark Feldmann.
«Pures Glück» für Bewohner
Bereits in seiner Kindheit hat er Erdrutsche erlebt und kennt sich in der betroffenen Gegend bestens aus. Laut ihm könne die Natur nicht aufgehalten werden.
Es sei «pures Glück», dass sich alle Bewohner in Sicherheit bringen konnten. Für ihn war der Hangrutsch vorhersehbar, wie er gegenüber «Watson» erklärt.
Unter dem Hang befanden sich Überreste von Vulkanen, sogenannte «Verrucano». Diese Überreste sind sehr hart und bröckeln leicht. In Zusammenhang mit Wasser vermehrt sich das Gewicht, bis die Gesteinsmenge schliesslich so schwer ist, dass sie abstürzt.
«Warum war hier freie Fläche?»
Geologe Mark Feldmann äussert Kritik gegenüber der Gemeinde, laut ihm hätte man Monate vorher Massnahmen ergreifen können. «Warum war hier freie Fläche? Hier gehören Bäume und Sträucher hin, die das Gestein mit ihren Wurzeln stabilisieren». Dabei zeigte er auf die oberste Stelle des Erdrutsches.
Der Vorfall am 29. August war nicht der erste in Schwanden. Denn während den letzten Jahren bröckelte es immer wieder. Für Feldmann ist es ein Rätsel, warum die Wohnhäuser unter dem Hang noch bewohnt waren.
Nicht Regen, sondern Hitze?
Laut Erklärung der Gemeinde ist der Erdrutsch auf Quellwasser, der sich im Verrucano-Felsen aufstaut, zurückzuführen. Der Wasserdruck sei nach den Niederschlägen Ende August derart gross gewesen, dass verhältnismässig mehr Wasser aus dem Berg getreten sei. Dieses habe die Rutschmasse angekurbelt.
Der Geologe gibt sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Bereits am 20. August kam es zu einem kleineren Erdrutsch. Zu dieser Zeit herrschte in der Schweiz eine Hitzewelle und Niederschläge waren kein Thema.
Laut Feldmann könnte die Hitze für den Rutsch verantwortlich sein. «Vier Meter ins Hügelinnere befindet sich womöglich Permafrost. Das gefrorene Wasser zwischen dem Verrucano-Gestein hält die Masse zusammen», so Feldmann. Es könnte sein, dass die Hitze den Permafrost zu schmelzen gebracht hat und der Hang deshalb instabil wurde.