Der Schweizer Anne-Frank-Fonds hat deutliche Kritik an der Untersuchung über den Verrat des Verstecks der jüdischen Autorin Anne Frank vor den Nationalsozialisten geübt. Im Buch über die Nachforschungen fänden sich auf fast jeder Seite sachliche Fehler, sagte Stiftungspräsident John D. Goldsmith im Interview mit dem «SonntagsBlick».
Anne Frank
Anne Frank. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Forschungsteam nenne einen jüdischen Notar aus Amsterdam als Schuldigen, allerdings ohne zwingenden Beweis, sagte der Präsident der Stiftung mit Sitz in Basel, die sich für die weltweite Verbreitung und Verwertung des Tagebuchs der Anne Frank einsetzt.
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Jetzt laute die Kernaussage «Ein Jude verrät Juden.» Das bleibe im Gedächtnis und beunruhige. Verschwörungstheorien würden lange haften bleiben.

Vor einer Woche sorgte ein internationales Team von Forschenden für Schlagzeilen mit der Behauptung, den Mann identifiziert zu haben, der Anne Frank an die Nazis ausgeliefert habe. Mehrere Historiker äusserten allerdings Zweifel an den Schlussfolgerungen und verwiesen ebenfalls auf angebliche Fehler und Ungenauigkeiten.

Die Art und Weise, wie da «geforscht» worden sei, habe die Stiftung enttäuscht, sagte Goldsmith weiter. «Wir hatten früh den Verdacht, dass hier aus kommerziellen Gründen eine seriöse, ergebnisoffene Aufarbeitung wohl nicht möglich sein würde», sagt der Stiftungspräsident. Spezialisten für die Situation in den Niederlanden während des Zweiten Weltkrieges seien nicht beigezogen worden.

Ein internationales Recherche-Team hatte fünf Jahre lang in Archiven geforscht, wer 1944 das Versteck von insgesamt acht jüdischen Menschen in Amsterdam an die deutschen Besatzer verraten hatte. Zwei Jahre lang lebten die Familien dort unentdeckt. Anne Frank (1929 - 1945) schrieb in dem Hinterhaus ihr heute weltberühmtes Tagebuch. Doch im August wurde das Versteck entdeckt, und wurden die Familien deportiert. Nur Annes Vater Otto überlebte. Dieser gründete 1963 den Basler Fonds.

Das Team hatte am vergangenen Montag seine Ergebnisse veröffentlicht. Absolute Sicherheit gebe es nicht, hiess es. Aber sehr wahrscheinlich habe der jüdische Notar Arnold van den Bergh das Versteck verraten. Er habe damit seiner Familie das Leben retten wollen. Das Team beruft sich vor allem auf die Kopie eines anonymen Briefes, den Otto Frank nach dem Krieg erhalten hatte und in dem der Name des Notars bereits genannt wird.

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