Schweizer Historiker übt scharfe Kritik am Bundesrat
Das Wichtigste in Kürze
- Thomas Maissen hält nichts vom Abbruch der Verhandlungen um ein EU-Rahmenabkommen.
- Der Bundesrat sei feige, weil er einem innenpolitischen Kampf auswich.
- Die Schweiz sei einfach den Weg des geringsten Widerstandes gegangen und eingenickt.
Der Schweizer Historiker Thomas Maissen geht hart ins Gericht mit dem Bundesrat. Der Abbruch der Verhandlungen um ein Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU sei feige und mutlos. Dies sagte Maissen in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen.
Keine Abstimmungsschlacht riskieren
Er sei feige, weil der Bundesrat dem innenpolitischen Kampf ausgewichen sei und keine Abstimmungsschlacht habe riskieren wollen. Die Landesregierung habe geahnt, dass sie eine solche Abstimmung verlieren würde. Das sei gewiss nicht mutig.
Der Bundesrat wisse seit zwei bis drei Jahren, dass sich das Rahmenabkommen in der Sackgasse befinde. Pragmatisch wäre gewesen, einen ambitionierten Alternativplan zu erarbeiten und diesen Plan der Schweizer Bevölkerung zu präsentieren.
Was die Landesregierung mit dem Abbruch der Verhandlungen am letzten Mittwoch gemacht habe, sei eine Abdankung ohne Predigt. «Etwas ist gestorben, aber niemand weiss, wie es weitergeht», sagte Maissen, der mehrere Standardwerke zur Geschichte der Schweiz verfasst hat.
Historiker: Bundesrat ist eingenickt
Auf die Frage, ob die Schweiz wenigstens gestärkt aus dem Kampf um das Rahmenabkommen hervorgehe, sagte der Historiker: «Es hat weder innen- noch aussenpolitisch ein Kampf stattgefunden. Der Bundesrat ist rasch eingeknickt, weil er gemerkt hat, dass die SVP und die Gewerkschaften gegen den Rahmenvertrag gewesen wären.
Gekämpft habe die Schweiz nicht. Mit dem Abbruch der Verhandlungen sei die Schweiz den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Das Scheitern des Rahmenvertrages sei ein grosser Erfolg für die Gegner eines EU-Beitritts. Nicht zur EU zu gehören, werde wohl für lange Zeit die Raison d'Être für die Schweiz bleiben.