Schweizer Reeder kämpft vor Obergericht gegen Freiheitsstrafe
Ein Ex-Reeder aus der Schweiz spricht sich vor dem Obergericht aus. Hans-Jürg Grunder kämpft gegen seine Verurteilung von fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit Montag kämpft der Ex-Reeder Hans-Jürg Grunder um seine Freiheit.
- Denn das Berner Wirtschaftsstrafgericht 2020 sprach ihm fünf Jahre Freiheitsstrafe zu.
Ein ehemaliger Reeder der Schweizer Hochseeflotte kämpft seit Montagmorgen gegen seine Verurteilung. Das Berner Wirtschaftsstrafgericht hatte ihm fünf Jahre Freiheitsstrafe zugesprochen. Der Prozess vor dem Berner Obergericht soll mehrere Tage lang dauern.
Reeder Hans-Jürg Grunder aus dem Kanton Bern wurde im Juli 2020 vom kantonalen Wirtschaftsstrafgericht verurteilt. Dies unter anderem wegen Betrugs, mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung und wegen Leistungsbetrugs. Das ist ein Straftatbestand im Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung.
Das Gericht verurteilte den Reeder asserdem, dem Kanton Bern eine sogenannte Ersatzforderung in Höhe von 1,2 Millionen Franken leisten. Zu solchen Forderungen kommt es, wenn illegal erworbene Vermögenswerte eines Verurteilten eingezogen werden sollten, diese aber nicht mehr vorhanden sind.
Zudem verfügte das Gericht, dass Grunder mehreren Privatklägern Entschädigungen in Millionenhöhe zahlen muss. Im Herbst 2020 legte der Verurteilte Berufung ein, weshalb nun das Berner Obergericht das Urteil der ersten Instanz überprüft. Grunder erschien am Montag im Gerichtsgebäude. Nicht nur er hat Berufung eingelegt, wie die vorsitzende Richterin bei Prozessbeginn bekanntgab, sondern eine ganze Anzahl weiterer Verfahrensbeteiligte.
Finanzielle Schwierigkeiten aufgedeckt
Der Berner Reeder war bis 2017 mit einem Dutzend Schiffen auf den Weltmeeren unterwegs. 2015 stellte das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) fest: Die Reederei und die einzelnen Schiffbetreibergesellschaften hatten finanzielle Schwierigkeiten, worauf es zu Sanierungsversuchen kam.
Diese scheiterten nach etwa einem Jahr und die Schiffe mussten schliesslich verkauft werden. Weil die Banken die Bürgschaften zogen entstand der Eidgenossenschaft ein Schaden von rund 200 Millionen Franken. Dies nach Angaben der Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte (FinDel).
Das erstinstanzliche Gericht hielt 2020 fest, für einen Schaden in so grosser Höhe sei Grunder nicht verantwortlich. Innerhalb seines Firmengeflechts habe Grunder aber mehrere Schweizer Gesellschaften zugunsten von ausländischen Tochtergesellschaften geschädigt. Dies, indem er Gelder hin und her verschoben habe und sogenannte Intercompany-Darlehen gewährte.
Flotter Bussenbetrag
Der Deliktsbetrag für diese ungetreue Geschäftsbesorgung betrage rund 30 Millionen Franken, sagte die vorsitzende Richterin im Sommer 2020. Sie führte weiter aus, Grunder habe dem Bund 56 falsche Jahresrechnungen der Schiffsbetreibergesellschaften eingereicht.
Er habe beim Gesuch um eine Bundesbürgschaft für ein neues Schiff einen höheren Kaufpreis angegeben als mit dem Verkäufer vereinbart. So habe er eine um 2,7 Millionen Franken höhere Bürgschaft herausgeholt. Und habe den späteren Schweizer Käufer des Schiffs um etwas über drei Millionen Franken betrogen.
Die vorsitzende Richterin des Obergerichts betonte am Montag, nach wie vor gelte für Grunder die Unschuldsvermutung. Beim erstinstanzlichen Prozess forderte ein Berner Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren. Der Verteidiger des Reeders wollte einen Freispruch von allen Vorwürfen.
Derselbe Staatsanwalt wie beim ersten Prozess von 2020 nimmt am Obergerichtsprozess teil. Das Urteil will das Gericht am 3. Juni bekanntgeben.