In der Schweiz sind hochdosierte Methadon-Tabletten Mangelware. Damit Süchtige nicht auf der Strasse landen, stellen Apotheken das Medikament selbst her.
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Eine Mitarbeiterin des Suchtzentrums Arud in Zürich übergibt einer Patientin einen Sack mit Medikamenten. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz fehlt es zunehmend an Medikamenten – auch in der Suchtmedizin.
  • Weil einer Firma die Betriebsbewilligung entzogen wurde, droht ein Mangel an Methadon.
  • Die hochdosierten Tabletten müssen nun von Apotheken selbst hergestellt werden.
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Egal ob Schmerzmittel, Antibiotika oder Impfungen – die Versorgung mit Medikamenten stösst in der Schweiz auf wachsende Probleme. Auch in der Suchtmedizin schlagen Fachpersonen Alarm: Der zentrale Ersatzstoff für Heroin – hochdosierte Methadon-Tabletten – droht auszugehen.

Die Arbeitsgemeinschaft für einen risikoarmen Umgang mit Drogen (Arud) in Zürich betreut rund 4000 Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung. Rund 400 davon beziehen im Rahmen einer Therapie Methadon-Tabletten.

Der Engpass stellt Arud vor enorme Herausforderungen: «Unsere Lagerbestände an Methadon-Tabletten reichen nur noch etwa eine Woche», sagt Dr. Thilo Beck, Co-Chefarzt Psychiatrie, gegenüber Nau.ch.

Kaum Alternativen

Ein so kurzfristiger Wechsel auf die flüssige Variante des Medikaments sei aus logistischen Gründen ausgeschlossen. Zudem werde das trinkbare Methadon schlechter vertragen. Auch Importe aus dem Ausland seien nicht möglich, da die entsprechenden Firmen hierzulande keine Bewilligung besässen.

In der Schweiz werden Methadon-Tabletten derzeit lediglich von Streuli Pharma in Uznach SG hergestellt, allerdings mit einer geringeren Dosis. Die Tabletten werden als Schmerzmittel eingesetzt und eignen sich weniger für die Suchtbehandlung.

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Eine Mitarbeiterin spricht im Suchtzentrum Arud in Zürich mit einer Patientin.
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In der Schweiz drohte ein Mangel an hochdosierten Methadon-Tabletten. Das Medikament wird als Ersatzstoff für Heroin an Abhängige abgegeben.
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Eine Apothekerin beschriftet Medikamente. Die Methadon-Tabletten werden angesichts des Mangels nun von Apotheken selbst hergestellt. (Symbolbild)
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Der drohende Mangel an Methadon-Tabletten könnte viele Heroinabhängige zurück auf die Strasse führen.

Deshalb musste eine andere Lösung her: Beck zufolge verspricht die sogenannte Magistralrezeptur derzeit den meisten Erfolg. Damit kann Apotheken der Auftrag für die Herstellung eines Medikaments erteilt werden. Da es sich um Spezialanfertigungen für Einzelfälle handelt, ist der Aufwand entsprechend gross.

Ab Ende Februar soll eine Zusammenarbeit zwischen Apotheken und der Streuli Pharma starten. Die Firma stellt die Tabletten im Auftrag der Apotheken her, welche sie dann selbst an die Arud und weitere Behandlungsstellen ausliefern. Dies sei eine Notlösung, so Beck.

Trotzdem: «Wenn wir die Tabletten nicht abgeben können, springen die Patienten wieder von den Programmen ab», sagt Beck weiter. «Dann würden sie sich wieder auf der Strasse nach Stoff umsehen.»

Bewilligung entzogen

Zurückzuführen ist der aktuelle Mangel auf ein Versagen auf mehreren Ebenen, wie die NZZ schreibt. Bisher galt die Amino AG als grösste Herstellerin der Methadon-Tabletten in der Schweiz.

Kürzlich wurde der Aargauer Firma allerdings von der Heilmittelbehörde Swissmedic die Betriebsbewilligung entzogen. Der Grund: Im Zuge eines Einbruchs auf dem Fabrikgelände wurden Mängel bei der Aufbewahrung entdeckt.

Sind Sie auch schon einmal mit Drogen in Kontakt gekommen?

Von der Sistierung der Betriebsbewilligung ist nicht nur die Produktion betroffen. Auch das nationale Notlager an Methadon-Tabletten befindet sich im Besitz der Firma – und bleibt geschlossen. Landesweit sind rund 9000 Personen auf das Medikament angewiesen, das ihnen einen vergleichsweise normalen Alltag ermöglicht.

Von der drohenden Sistierung der Betriebsbewilligung wussten Amino und Behörden – namentlich Swissmedic und das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung – schon seit drei Jahren. Erst im Dezember aber wurden die Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin und Kantonsapotheken über den drohenden Mangel informiert.

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