Strafrechts-Professorin analysiert Kriminal-Papier der SVP
Mit ihrem Strategiepapier hat die SVP diese Woche vor der kriminellen Schweiz gewarnt. Eine Strafrechts-Professorin schüttelt jedoch den Kopf und korrigiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Die SVP fordert in ihrem Strategiepapier «Kriminalität und Sicherheit» strenge Strafen.
- Die Schweiz sei kein sicheres Land mehr.
- Eine Strafrechts-Professorin kritisiert das Papier als populistisch und undifferenziert.
Die Schweiz dürfe kein «Eldorado für Kriminelle» werden. Man müsse bei «Möchtegern-Ghettokids härter durchgreifen.» Die SVP schlug diese Woche vor den Medien Alarmstufe rot. Die Schweiz sei kein sicheres Land mehr - Schuld sei die lasche Politik.
In ihrem neuen Strategiepapier «Kriminalität und Sicherheit» bezeichnete die Partei die Schweiz als Land mit einer erhöhter Kriminalität. Gestützt auf den Zahlen der Kriminalitätsstatistik. Doch diese hat die SVP anscheinend zu wenig genau analysiert, kritisiert eine Strafrechts-Professorin.
SVP setze falschen Fokus
Ineke Regina Pruin vom Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Bern hat die Argumente der SVP genauer analysiert. Sie hält fest: «Ich halte das Positionspapier für populistisch. Es vereinfacht zu sehr und differenziert zu wenig.»
Als Beispiel nennt Pruin die Gewalt von männlichen Migranten. Die SVP schreibe zwar korrekterweise, dass nicht Männer im Allgemeinen, sondern besonders nicht integrierte Männer gewalttätig seien.
Doch: «Migranten sind häufig nicht integriert, das ist der Punkt an dem man ansetzen muss. Nicht an ihrer Herkunft. Ich denke, dass ist mittlerweile hinreichend oft gesagt worden.»
Skeptisch ist die Professorin auch bei der Ausführung. «Wer wird von der SVP als «Ausländer» oder «Migrant» definiert? Diese wichtige Aussage fehlt komplett.» Auch sei es gemäss Dunkelfeldforschung sehr wahrscheinlich, «dass sich das Anzeigeverhalten gegenüber Schweizern und Ausländern unterscheidet.»
«Hetzerische, populistische Aussagen»
Zu weit geht es Pruin besonders in einem Abschnitt des SVP-Papieres. Darin beschuldigt die Partei spezifisch Junge Männer «aus patriarchalen Kulturen». Diese würden sich dazu verabreden, um in ihren Augen unehrenhafte Frauen buchstäblich zu jagen, begrabschen oder gar vergewaltigen.
«Wo sind die Belege dafür?», hinterfragt Pruin.
Denn: «Ich nehme es nicht so wahr, dass das der Alltag in der Schweiz ist. Und ich sehe nicht, dass die Kriminalstatistiken oder kriminologische Untersuchungen diese Vorwürfe belegen. Das sind für mich hetzerische, populistische Aussagen.»
Schrecken härtere Strafen ab?
Die SVP fordert eine Verschärfung des Strafrechts, beispielsweise die Höchstdauer von Freiheitsstrafen von 20 auf 60 Jahre zu erhöhen. Laut Pruin funktioniert diese Abschreckung nicht.
«Wenn das so einfach wäre, würde es in Ländern mit Todesstrafe auch keine Morde mehr geben. Oder die Mordraten müssten zumindest weit geringer sein. Die USA zeigen, dass das nicht so ist...»
Es braucht endlich härtere Strafen gegen solche Täter. Polizist und Kantonsrat (ZG) Thomas Werner zur aktuellen Situation mit eigener Erfahrung aus der täglichen Praxis.#freiundsicher #svpwählen https://t.co/bx6MLt7z5E
— SVP Schweiz (@SVPch) August 14, 2019
Doch in einem zentralen Punkt gibt die Professorin der SVP Recht. Man müsse die Probleme ins Auge fassen, mit denen Migranten zu kämpfen haben. «Aber die Lösung ist kein härteres Strafrecht. Sondern eine gute Sozialpolitik, die präventiv dafür sorgt, die Risikofaktoren für Kriminalität zu bearbeiten.»