Sulzers «Zigeuner»: Schwere Vorwürfe gegen Baselbieter Kulturchefin
Die Basler Geschäftsprüfungskommission kritisiert Esther Roth aus dem Nachbarkanton Baselland scharf. Diese will keine Fragen beantworten.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Schriftsteller sollte erklären, warum das Wort «Zigeuner» in seinem Text vorkommt.
- Daraufhin zog der Autor sein Fördergesuch zurück – und erhob Zensur-Vorwürfe.
- Nun hat die Stadtbasler GPK eine Schuldige für die Eskalation ausgemacht.
- Esther Roth, Kulturchefin in Baselland, habe eine Konsensfindung «verunmöglicht».
Politikerinnen, Kulturschaffende und Journalisten im ganzen deutschsprachigen Raum haben über den Fall diskutiert. Der Basler Schriftsteller Alain Claude Sulzer zog im vergangenen Jahr ein Fördergesuch zurück, weil er sich beim Kanton dafür hätte rechtfertigen sollen, warum er den diskriminierenden Begriff «Zigeuner» in seiner Novelle mehrfach verwendet.
Sulzer erhob Zensur-Vorwürfe, es fanden Podien statt. Wie sind die Grundrechte der Meinungsfreiheit und des Diskriminierungsschutzes abzuwägen? Ein Mitglied des bikantonalen Fachausschusses Literatur trat fristlos aus dem Gremium aus.
Auch die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Basler Grossen Rats hat sich mit dem Fall Sulzer beschäftigt, wie aus dem am Donnerstag publizierten Bericht hervorgeht.
Die GPK gibt vor allem der Leiterin des Amts für Kultur im Nachbarkanton Baselland, Esther Roth, die Schuld dafür, dass die Angelegenheit derart eskaliert ist.
Das Aufsichtsgremium, seit Dezember unter Präsident Tim Cuénod (SP), schreibt im Bericht wörtlich: «Die GPK stellt fest, dass die Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Landschaft ihr Veto gegen die Empfehlung des Fachausschusses Literatur BS/BL zur Sprechung des Werkbeitrags eingelegt und damit ein möglicherweise deeskalierendes Gespräch und eine Konsensfindung verunmöglicht hat.»
Grögel stützt Roth
Die GPK verweist auf eine E-Mail vom 15. Mai 2023. Roth soll sich im Schreiben dahin gehend geäussert haben, dass sie nicht bereit sei, Mittel zu sprechen.
Sie schliesse ein Gespräch mit Sulzer und dem Fachausschuss aus. Nach der schriftlichen Stellungnahme des Autors könne das Gesuch allenfalls neu beurteilt werden.
Katrin Grögel, Chefin der Abteilung Kultur in Basel-Stadt, hat in der öffentlichen Diskussion wiederholt Fehler beim gewählten Vorgehen eingeräumt. Doch die offenbar entscheidende Rolle Roths hat sie nicht publik gemacht.
Auch gegenüber der GPK verteidigt Grögel ihre Amtskollegin und verweist gemäss Bericht darauf, «dass es der Schriftlichkeit bedürfe, um die Rechtssicherheit der Verwaltungsprozesse sicherzustellen».
Sie habe auch klargemacht, dass die Entscheidungskompetenz letztlich bei ihr und Roth liege und nicht beim Fachausschuss, der die Gesuche prüft und eine Empfehlung abgibt.
Fachausschuss wollte Beitrag sprechen
Tatsächlich hat sich der Fachausschuss ein anderes Vorgehen gewünscht, wie die GPK im Bericht enthüllt. Das Gremium hatte das persönliche Gespräch ausdrücklich empfohlen.
Und vor allem: Der Fachausschuss wollte Sulzers Werk «aufgrund seiner literarischen Qualität» unterstützen. Er hat Sulzers Sprachgebrauch ebenfalls diskutiert und ist zur Meinung gelangt, dass dieser «im Lichte von Anti-Ziganismus» gelesen werden könne. Deshalb wollte man sich – trotz Zusage – mit Sulzer dazu austauschen.
Doch Roth und Grögel verschickten den Brief an Sulzer, ohne ihn vorgängig dem Fachausschuss vorzulegen. Auch haben sie im Schreiben nicht erwähnt, dass das Gremium dem Gesuch positiv gegenübersteht.
Zwischen dem Fachausschuss und den Leiterinnen der Kulturabteilungen hat es offensichtlich gebrodelt. Die GKP kommt zum Schluss, dass die Kompetenzen nicht klar verteilt seien. Sie fordert deshalb vom Präsidialdepartement, «dass die Rolle und die Kompetenz des Fachausschusses Literatur BS/BL überprüft und gegen innen und aussen klar kommuniziert wird».
Roth will nichts dazu sagen
Esther Roth verweigert ein Telefongespräch mit «OnlineReports» und verweist stattdessen auf Regierungssprecher Nic Kaufmann. Dieser reagiert auf die Fragen mit der allgemeinen Aussage, dass sich Mitarbeitende des Kantons «grundsätzlich nicht» zu einem Bericht der GPK von Basel-Stadt äussern. Die Basler Regierung beantworte nun die Empfehlungen und bringe diese «in die gemeinsamen Gremien zur Prüfung und Umsetzung» ein.
Die Baselbieter Regierung habe es schon abgelehnt, dass Esther Roth von der basel-städtischen GPK angehört wird, schreibt Kaufmann. Es bestehe dafür «keine Rechtsgrundlage». Insofern könne Esther Roth «jetzt auch nicht zum Bericht Stellung nehmen – schon gar nicht über die Medien».
Auch Fragen, die nicht direkt mit dem GPK-Bericht zusammenhängen, lassen Kaufmann und Roth unbeantwortet. So bleibt etwa im Dunkeln, was die Baselbieter Kulturchefin an Alain Claude Sulzers Verwendung des Worts «Zigeuner» konkret stört.
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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.