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Tiktok-Eltern behandeln Kids wie Mini-Erwachsene

Rowena Goebel
Rowena Goebel

Zürich,

Siebenjährige Mädchen, die ins Nagelstudio gehen oder Kleinkinder, die in der Öffentlichkeit vapen: Solche Videos sorgen derzeit auf Social Media für Furore.

Baby
Ein Kleinkind vaped in der Berliner U-Bahn. - Tiktok

Das Wichtigste in Kürze

  • Videos von Kindern, die sich aufführen wie Erwachsene, sorgen für Gesprächsstoff.
  • Kleine Mädchen vapen, lassen sich die Nägel manikürieren und trinken Starbucks-Drinks.
  • Ein Psychologe kritisiert die Eltern scharf.

«Meine siebenjährige Diva erhält jeden Monat Gelnägel, trägt Uggs und fragt nach Starbucks vor der Schule.» Das schreibt eine Mutter auf Tiktok über ihre kleine Tochter – und zeigt sie top gestylt im Nagelstudio.

In den Kommentaren berichten andere Mütter Ähnliches über ihre Kids. «Meine Tochter wird bald acht Jahre alt und wünscht sich zum Geburtstag eine Mani- und Pediküre und Sushi», erklärt eine. «Mein Mädchen wird nächsten Monat sechs und sagt, sie wolle einen Spa-Tag», eine andere.

Ein weiteres Tiktok-Video zeigt ein kleines Kind, vielleicht drei Jahre alt, in der Berliner U-Bahn – offensichtlich routiniert beim Vapen. Das Netz reagiert geschockt.

Kinder beschäftigen sich wegen Tiktok und Co. mit Erwachsenenthemen

Dass gewisse Eltern ihre Kinder wie kleine Erwachsene behandeln und ihnen zu viel zutrauen, ist kein neues Phänomen. Neu ist aber: «Social Media führt dazu, dass sich Kinder tatsächlich mit Erwachsenenthemen beschäftigen», erklärt der Zürcher Psychologe Felix Hof gegenüber Nau.ch.

Ob deshalb wirklich mehr Eltern ihre Kinder wie Erwachsene behandeln, kann er nicht sagen. «Aber das Phänomen an sich ist höchst problematisch. Kinder können dann die ihrem Lebensalter entsprechenden Entwicklungsaufgaben nicht angemessen leisten», warnt Hof.

Würden Sie einem siebenjährigem Kind Starbucks und Gelnägel erlauben?

Statt im Nagelstudio zu sitzen, sollten sie laut dem Experten nämlich die Welt mit Spielen erobern. Als Jugendliche sollten sie diese Eroberungen in der Gleichaltrigengruppe fortsetzen. «So finden sie heraus, was sie in der Welt bewirken können, wer sie sind, was sie wollen und was nicht. Können Sie das nicht, nehmen sie Rollen oder Identitäten an, die auf Dauer nicht funktionieren.»

Bezogen auf Kids, die mit Luxusartikeln und teuren Schönheitsbehandlungen beglückt werden, heisst das: «Sie entwickeln häufig unrealistische Vorstellungen von Leistung und Gelderwerb.» Viele hätten absurde materielle Ideale, «denen sie dann nicht folgen können». Sie würden oft Entwicklungsdefizite und Identitätsstörungen erleiden.

«Eltern leiden selbst an Persönlichkeitsdefiziten»

Den Ursprung des Phänomens sieht Hof aber mehr bei den Eltern als bei ihren Sprösslingen: «Eltern, die Kinder wie Erwachsene behandeln, leiden selbst an Persönlichkeitsdefiziten oder sind in der Erziehung überfordert.»

Oft würden solche «problematischen Rollenzuschreibungen» von bestimmten Konstellationen gefördert. «Zum Beispiel, wenn eine Familie auseinanderbricht.» Kann ein Elternteil die Scheidung emotional nicht bewältigen, werde ein Kind schnell zum «Ersatzpartner» oder «engsten Vertrauten».

«Eltern, die psychisch instabil sind oder sich emotional nicht selber versorgen können, tendieren dazu, ihren Kindern eine Erwachsenenfunktion zuzuschreiben.»

Kommentare

User #3567 (nicht angemeldet)

Das gab es schon einmal. Im 16. Jahrhundert wurden die Kinder in vielen Ländern Europas wie Erwachsene gekleidet, spezielle Kinderkleidung gab es damals nicht. Heute geht man halt einen Schritt weiter mit gegelten Fingernägeln, Pircing in Ohr und Nase sowie Make Up wie Muttern. Das alles nur, um im Netz aufzufallen und viele Likes zu sammeln. Auch diese Zeit geht vorüber und wechselt mit einer Anderen ab.

User #5933 (nicht angemeldet)

Naja. Sie trinken noch nicht Champagner, aber vielleicht kommt das auch noch.

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