Pädagogen schlagen Alarm: In Schweizer Primarschulen tragen immer mehr Schüler noch Windeln. Das macht sie zur Zielscheibe für Mobbing, sagt ein Psychologe.
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Unterricht an einer Primarschule in Basel. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr Primarschüler in der Schweiz tragen noch Windeln.
  • Ein Kinderpsychologe warnt nun vor Mobbing.
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In den Schweizer Primarschulen sitzen vermehrt Kinder, die noch Windeln tragen. Die Entwicklungspädagogin Margrit Stamm sagte, sie werde derzeit «überrannt mit Anfragen». Sogar einen Elfjährigen hatte sie schon in der Praxis, der nicht allein aufs WC gehen konnte.

Den Grund sieht die Pädagogin einerseits in der Weiterentwicklung der Windeln. Diese würden immer angenehmer, liessen sich «wie normale Unterhosen» tragen. Andererseits nimmt sie auch die Eltern in die Pflicht: «Manche Eltern lassen das schlittern, weil die Windel eine praktische Entlastung ist. Das gilt heute nicht mehr als problematisch.»

Für die betroffenen Kinder kann das aber durchaus negative Auswirkungen mit sich bringen: «Sie leiden sicher darunter», sagt Kinderpsychologe Philipp Ramming gegenüber Nau.ch. «Sie können damit auch zur Zielscheibe für Mobbing werden.»

«Wichtiges Werkzeug fehlt»

Die Gründe, weshalb die Eltern ihren Kindern den Gang aufs WC nicht beibringen, seien vielschichtig. Können medizinische Ursachen ausgeschlossen werden, liege es oftmals an einer mangelnden Anstrengung durch die Eltern. «Das bedeutet, dass sie es unterlassen haben, die Kinder zu trainieren und damit Frustration in Kauf zu nehmen», so Ramming.

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In Schweizer Primarschulen tragen immer mehr Kinder noch Windeln.
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Einer Erziehungswissenschaftlerin zufolge liessen manche Eltern das Thema schlicht «schlittern», weil die Windel praktisch sei.
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Für die Kinder kann dies negative Auswirkungen haben. (Symbolbild)

Den betroffenen Kindern fehle damit eine Frustrationstoleranz. «Von einem Kind wird verlangt, dass es sich an eine ihm zunächst fremde Aussenwelt anpasst», sagt Ramming weiter. Bereits im Kindergarten lerne es, nach den Regeln einer Gemeinschaft zu leben.

Wird den Kleinen beispielsweise nicht beigebracht, aufs WC zu gehen, fehle eine Anpassungsleistung. «Diesen Kindern fehlt ein wichtiges Werkzeug, um sich anzupassen», sagt Ramming.

Aargauer Schule setzt auf Infoanlässe

Wie reagieren die Schulen darauf? Es gebe keine offizielle Handhabung für Lehrpersonen, sagt Dagmar Rösler, Präsidentin des Lehrerinnen- und Lehrerverbands Schweiz (LCH) zu Nau.ch. «Ich plädiere dafür, dass man die Sache im Stillen mit den Eltern regelt.»

Haben Sie Kinder?

Die Primarschule Laufenburg setzt derweil auf Infoanlässe. Darin werden die Eltern darauf hingewiesen, dass die Kinder trocken sein müssen, bevor sie eingeschult werden. «Lehrpersonen sind nicht dazu da, sich mit Pampers im Klassenzimmer herumzuschlagen», sagt Schulleiter Philipp Grolimund der «Sonntagszeitung».

Und weiter: «Man könnte allenfalls eine Assistentin für den Windelwechsel anstellen. Aber ich halte es für falsch, den Eltern immer mehr abzunehmen.»

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