Tötungsdelikt von Flaach ZH ist ein prägender Fall für die Kesb

Keystone-SDA
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Zürcher Weinland,

Eine Mutter hat vor zehn Jahren in Flaach ZH ihre beiden Kinder erstickt, die in ein Heim sollten. Danach hat sie sich im Gefängnis das Leben genommen.

Flaach
Blick auf Flaach ZH. - Keystone

Am Neujahrstag vor 10 Jahren hat eine verzweifelte Mutter in Flaach ZH ihre beiden Kinder erstickt, die in ein Heim sollten – acht Monate später nahm sie sich im Gefängnis das Leben. Der tragische «Fall Flaach» löste damals in der Öffentlichkeit eine beispiellose Diskussion über die Arbeit der noch jungen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde aus, aber auch über Haftbedingungen.

Die Mutter hatte am 1. Januar 2015 um 21.30 Uhr der Einsatzzentrale der Kantonspolizei Zürich gemeldet, dass ihre zweijährige Tochter und ihr fünfjähriger Sohn tot seien. Die Einsatzkräfte versuchten, die beiden zu reanimieren. Vergebens. Die Kinder starben – wie sich später herausstellte – an Erstickung.

Als die Einsatzkräfte im Haus eintrafen, war die Mutter nicht mehr da. Die Polizisten konnten die 27-jährige Schweizerin kurze Zeit später aber auffinden und verhaften. Sie hatte sich selbst mit einem Messer verletzt, jedoch nicht lebensbedrohlich.

Das zweifache Tötungsdelikt war trauriger Höhepunkt eines Konflikts der Familie mit der zuständigen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb). Die Eltern waren im Dezember 2015 wegen Verdachts auf Betrug in Untersuchungshaft genommen worden. Der fünfjährige Knabe und das zweijährige Mädchen wurden in einem Heim platziert – obwohl die Grosseltern sich zur Betreuung bereit erklärt hatten.

Nachdem die Mutter aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, mussten die Kinder im Heim bleiben. Zwar durfte die Geschwister über die Weihnachtstage zu ihrer Mutter nach Hause. Am 4. Januar hätte die 27-Jährige die beiden aber wieder zurück ins Heim bringen sollen.

Am Tag nach dem Tötungsdelikt nahm die zuständige Kesb Stellung und betonte, dass sie keinerlei Hinweise auf eine akute Gefährdung der Kinder durch ihre Mutter gehabt habe. Auch ein unabhängiges Gutachten kam Monate später zum Schluss, dass die Kesb die Tötung der beiden Kinder nicht hätte verhindern können. Es habe «keine Ursächlichkeit zwischen dem Handeln der Kesb und der Kindstötung» gegeben.

Ruf der Kesb schwer beschädigt

Der Ruf der Kesb aber war bereits schwer beschädigt. Der «Fall Flaach» löste eine beispiellose, öffentliche Aggressionslawine gegen die Kesb aus – bis hin zu Morddrohungen gegen Mitarbeitende, die unter Polizeischutz gestellt werden mussten.

Die Tötung der beiden Kinder durch deren Mutter sei ein derart dramatisches Ereignis gewesen, dass sie es nie vergessen werde, hält Karin Fischer, damalige und heutige Präsidentin der zuständigen Kesb Winterthur-Andelfingen gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA fest. Es sei teilweise verantwortungslos gewesen, wie nach der Tötung der beiden Kinder in den Medien über die Kindesschutzbehörde berichtet worden sei.

Die professionelle Behörde hatte Anfang 2013 die vorher zuständigen Vormundschaftsbehörden abgelöst, in denen Laien tätig waren. Die Kesb habe aus diesem tragischen Einzelfall die Erkenntnis gewonnen, dass es damals an Informationen fehlte, wie die neue Behörde funktionierte, sagt Diana Wider, Generalsekretärin der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (Kokes) gegenüber Keystone-SDA.

Die nötige Sensibilisierung und proaktive Kommunikation in der Bevölkerung waren laut Wider daher das «grosse Learning» der vergangenen Jahre. Dadurch habe sich auch die Berichterstattung in den Medien geändert. Heute werde sachlicher berichtet, was eine Form der Wertschätzung der Kesb-Mitarbeitenden sei, die täglich mit teils unvorstellbar schwierigen Lebenssituationen konfrontiert seien.

Wenige Tage nach der Tat hatte die Mutter selber ein Geständnis abgelegt. Sie wurde anfangs in die geschlossene Abteilung der psychiatrischen Klinik Rheinau gebracht. Nachdem die akute Krise vermeintlich überwunden war, wurde sie in eine Sicherheitszelle im Gefängnis umquartiert.

Die Gefängnisleitung und der zuständige Psychiater liessen die junge Frau so engmaschig bewachen, dass sie gar keine Möglichkeit für einen Suizid mehr hatte. Dieses Arrangement war jedoch so einschränkend, dass es nach kurzer Zeit wieder aufgelöst wurde. Und im Sommer 2015 brachte sie sich schliesslich in ihrer Zelle um.

Gutachten: Existenzieller Machtkampf der Mutter

Ein gerichtspsychiatrisches Gutachten sprach von einer Extremtat, die in der Persönlichkeit der Mutter angelegt gewesen sei. Dabei handle es sich um einen instabilen Realitätsbezug und Geltungssucht. Mit der Wegnahme der Kinder habe für die Mutter ein existenzieller Machtkampf begonnen, der ihr persönliches Lebensprinzip im Kern bedroht habe. Daraus sei der Plan entstanden, der Kesb die Kinder zu entziehen, indem sie sie tötet.

Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) kündigte nach dem Tötungsdelikt an, die Bedingungen in der Untersuchungshaft zu verbessern.

So wurde im Frühling 2019 im Gefängnis Limmattal in Dietikon ZH eine spezielle Abteilung für suizidale Häftlinge eröffnet. Darin werden Insassen untergebracht, die in einer akuten Krise sind. Das Regime ist etwas angenehmer. Lange bleiben dürfen die Häftlinge aber nicht.

Der Vater der getöteten Kinder war im September 2016 vom Bezirksgericht Weinfelden TG wegen Betrugs zu 42 Monaten Freiheitsentzug und einer Busse von 1200 Franken verurteilt worden. Der Witwer sagte in seinem Schlusswort vor Gericht, die Kesb und andere Behörden treffe keine Schuld.

Er habe eine neue Lebensqualität entdeckt, nachdem er alles verloren hatte. Er wolle – wie früher – ein untadeliges Leben führen, und er habe «die Motivation, um vorwärtszugehen». Er bereue seine Taten zutiefst. Bei den Geschädigten entschuldigte er sich und versprach ihnen, alles zu tun, um ihnen ihr Geld zurückzuerstatten.

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Brauchen Sie Hilfe?

Sind Sie selbst depressiv oder haben Sie Suizidgedanken? Dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Dargebotene Hand (www.143.ch).

Unter der kostenlosen Hotline 143 erhalten Sie anonym und rund um die Uhr Hilfe. Die Berater können Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen. Auch eine Kontaktaufnahme über einen Einzelchat oder anonyme Beratung via E-Mail ist möglich.

Hilfe für Suizidbetroffene: www.trauernetz.ch

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