Trotz Digitalisierung bleiben Plakate wichtig für den Film
Filmplakate werden oft übersehen – und zwar nicht nur von Schweizer Filmen. Sie sind aber trotz Digitalisierung wichtig.
Sie treten hinter den Trailer zurück, bleiben aber trotz Digitalisierung wichtig für den Film: Filmplakate. Und manchmal braucht es mehrere Versionen, um der vielsprachigen Schweiz gerecht zu werden.
Sich an Filme zu erinnern, manchmal sogar über Jahre, ist einfach: Es gibt ikonische Szenen, grossartige Dialoge. Doch wer könnte noch sagen, wie das Plakat zu «Ein Schweizer namens Nötzli», «Achtung, fertig, Charlie» oder «Die Herbstzeitlosen» ausgesehen hat? Dabei gehören diese drei Werke in die Top Ten der erfolgreichsten Filme aus einheimischer Produktion.
Mischa Schiwow vom Verleih Frenetic zeigte sich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA überzeugt: «Das Artwork ist wichtig für die Identifikation eines Films. Es prägt sich, wenn es gut gemacht ist, bei den potenziellen Zuschauerinnen und Zuschauern ein.» Plakat und Trailer seien «die Vorboten eines Films». Es sei wichtig, dass Neugier und Lust geweckt werden, sich den Film anzuschauen. Urs Frey von der zürcherisch-bernischen Produktionsfirma Contrast Film pflichtete ihm bei: «Das Plakat ist nach wie vor ein wichtiger Promotionsbaustein.» Unmittelbar folgte aber die Ergänzung: «Noch viel wichtiger ist der Trailer.»
Nicht immer wird eine Lösung gefunden
Im Gegensatz zu Deutschland und anderen Ländern falle es in der Schweiz in den Aufgabenbereich des Produzenten, die Plakate herstellen zu lassen, sagte Frey. In der Regel würden verschiedene Entwürfe gemacht, entschieden werde dann gemeinsam mit dem Verleiher. Die Regie sei selten dabei.
Bei den Entwürfen kommen die Grafikerinnen und Grafiker ins Spiel. Jens Müller aus Zürich ist einer davon. Am Anfang schaut er den Film, der oft noch eine Rohfassung ist. «Nach einem ersten Treffen mit den Beteiligten erstelle ich üblicherweise zehn möglichst unterschiedliche Plakatsujets», sagte Müller. Idealerweise werden dann eines oder zwei ausgewählt, die weiter ausgearbeitet werden Grundsätzlich sei es so, dass er in der ersten Entwurfsphase aus dem Vollen schöpfen könne. «Nach der ersten Präsentation versuche ich dann, jeden Kundenwunsch zu berücksichtigen», sagte Müller.
Nicht immer wird eine Lösung gefunden. «Es gibt wenige Fälle, bei denen es am Schluss mehrere Plakate gegeben hat», erinnerte sich Schiwow. Ein Beispiel sei «La vanité» von Lionel Baier. Dort gab es ein vom Verleih in Auftrag gegebenes Plakat, das in der Deutschschweiz zur Anwendung kam und ein von der Produktion zusammen mit dem französischen Verleih entwickeltes Plakat, das in der Romandie eingesetzt wurde. Schiwows Erklärung: «Die kulturellen Codes sind unterschiedlich.» Oder, wie Frey sagte: «Was in Zürich funktioniert, muss nicht zwingend auch in Genf funktionieren.»
Für die Grafikerin Nadine Geissbühler stehen bei der Gestaltung zwei Fragen im Zentrum: Wie übersetzt man die Geschichte in ein Bild? Was will der Film? Dabei gebe es auch Fallen: «Oft tendiert man dazu, den gesamten Film auf einem Plakat erzählen zu wollen. Was ich schade finde und bei einem Plakat nicht funktioniert.» Für Müller stehen das Zusammenspiel von Bild und Text und die Prägnanz der Umsetzung im Vordergrund. Kurz: «Das Plakat sollte ein Eyecatcher sein.»
«Viele Filmplakate nicht sonderlich originell»
Welche Plakate sind gelungen? Schiwow nennt dasjenige zu «Ruäch» «eines der eindrücklichsten Plakate für einen Schweizer Film im Jahr 2023». Für Frey ist das Plakat zu «Landesverräter» besonders geglückt. Der Film kommt am 24. Oktober in die Schweizer Kinos. «Das Plakat greift das Thema des Films auf eine sehr unkonventionelle und provokative Art und Weise auf», so seine Begründung.
Frey bemängelt, dass es in anderen Ländern Agenturen gäbe, die auf die Filmpromotion spezialisiert seien. «In der Schweiz ist das nicht der Fall. Entsprechend sind leider viele Filmplakate auch nicht sonderlich originell.»
Früher hätten Filmplakate oder Plakate generell zur Königsdisziplin eines Gestalters gehört, sagte Nadine Geissbühler. «Es entstanden regelrechte Kunstwerke, die heute noch viele Wohnwände schmücken. Heute möchten Plakate ein breites Publikum ansprechen, was automatisch an Signalwirkung verliert. Das Plakat an sich ist heute nicht mehr so wichtig, weil die Werbung auf anderen Bühnen spielt.»
Trotzdem ist Geissbühler überzeugt: «Print hat zwar allgemein an Gewicht verloren. Was aber an der Bedeutung der visuellen Idee nichts ändert. Heute braucht es gerade wegen der digitalen Kanäle umso mehr eine zentrale Bildidee, die in allen Medien funktioniert.»*
*Dieser Artikel von Raphael Amstutz, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.