Ukrainerin: Solidarität in der Schweiz noch immer hoch
Ein Verein warnte, die Solidarität gegenüber Ukraine-Flüchtlingen habe abgenommen. Sie sei nur weniger sichtbar geworden, sagt aber eine Helferin bei Nau.ch.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Solidarität gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine sei immer noch hoch.
- Sie sei nur weniger sichtbar geworden, so Jenya Lavicka vom Kirchen-Hilfswerk Heks.
- Schliesslich hätten sich auch die Bedürfnisse der Geflüchteten verändert.
Ein Unterstützungsverein für Geflüchtete aus der Ukraine warnte kürzlich, dass die Solidarität der Schweizer abnehme. Julia Peters vom Verein «Good Friends for Ukraine» erklärte im «Sonntagszeitung»-Interview, die Bereitschaft zu Freiwilligenarbeit und Spenden nehme ab.
Tatsächlich?
Jenya Lavicka, Leiterin der Koordinationsstelle Flucht und Ankommen Kanton Basel-Landschaft beim Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (Heks), sieht es anders. Die Ukrainerin lebt seit 17 Jahren in der Schweiz und hat engen Kontakt zu vielen ihrer geflüchteten Landsleute.
«Die Solidarität ist heute weniger sichtbar als vor einem Jahr, aber immer noch hoch», sagt sie gegenüber Nau.ch.
«Der Kriegsausbruch war ein Schock für alle, auch die Menschen in der Schweiz», meint sie. «Viele haben ihre Wohnungen, ihre Zeit und mehr angeboten.» Die Arbeit der Freiwilligen so wie die teilweise extrem gut besuchten Solidaritätsdemonstrationen seien sehr sichtbar gewesen.
«Jetzt sind aber auch die Bedürfnisse der Geflüchteten anders», erklärt sie. «Viele haben angefangen, Deutsch zu lernen und bemühen sich, in der Schweiz Fuss zu fassen. Sie haben eine Unterkunft und sind nicht mehr in der gleichen geschockten Situation wie vor einem Jahr.»
Sachspenden oder Freiwillige, die Geflüchtete von den Bahnhöfen zur Schutzstatus-Registrierung beim SEM begleiten, würden daher kaum noch benötigt.
Die Solidarität zeige sich aber weiterhin in den kleinen Dingen, widerspricht sie dem Unterstützungsverein. Zum Beispiel, als die Behörden Ukrainer in ihrer Muttersprache vor dem Sirenentest am 1. Februar warnten. «Die Geflüchteten waren sehr dankbar, dass die Schweiz daran gedacht hat», sagt Lavicka.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe verweist gegenüber Nau.ch zudem auf den Erfolg des Gastfamilien-Modells. Es seien weiterhin 35 Prozent der Schutzsuchenden bei Gastfamilien untergebracht – das funktioniere sehr gut.
Bereits vor einer Woche berichtete Nau.ch, dass es nur bei jeder zehnten Gastfamilie Probleme gab.
Viele Vereine engagieren sich weiter
Zudem gebe es weiterhin zahlreiche Vereine und Freiwillige, die die Geflüchteten unterstützen. «Deutschkurse, Sprachcafés, von der evangelisch-reformierten Kirche oder der römisch-katholischen Kirche organisierte Treffs für Ukrainer», zählt Lavicka auf. Auch bei der Jobsuche gebe es verschiedene Angebote, etwa vom Berufsberatungs- und Informationszentrum (BIZ).
Gemäss der Geflüchteten hätte aber auch die Solidarität der Menschen, die sich nicht auf diese Weise engagieren, nicht abgenommen. «Ich habe bisher nichts von Diskriminierung oder Ähnlichem gehört», so Lavicka.
Und auch eine Nau.ch-Umfrage zeigt: 73 Prozent der Leser fühlen sich immer noch solidarisch mit den Ukrainern in der Schweiz.
Peters verwies im Interview auf die Kommentarspalten von Artikeln über Ukrainer in der Schweiz. «Dort heisst es, sie würden bevorzugt», sagte sie. Durch die Aussagen von Lavicka gibt es aber Hoffnung, dass es sich dabei nur um Einzelstimmen handeln dürfte.