Unwetter: Wie lange kann sich Bund Wiederaufbau in Bergen leisten?
Zukünftig wird ein Leben in den Berggebieten der Schweiz weniger realistisch. Die extremen Wettereignisse treffen die Bevölkerung härter und sollen zunehmen.
Das Wichtigste in Kürze
- Durch den Klimawandel soll die Bevölkerung aus den Bergregionen zurückgedrängt werden.
- Die zunehmenden Wetterextreme machen das Leben dort immer gefährlicher.
- Es ist unklar, wie lange der Bund es sich leisten kann, die Gebiete wieder aufzubauen.
Erdrutsche im Tessin, Hochwasser im Wallis, gesperrte Pässe wegen Murgängen und überschwemmte Strassen.
Mit der fortschreitenden Klimaerwärmung nehmen extreme Wetterereignisse wie Hochwasser und Erdrutsche zu. Besonders in den Alpenregionen sind diese Entwicklungen verheerend. Bedeutet: Die Schweizer Bevölkerung wird sich in der Zukunft wohl mehr aus den Bergen zurückziehen müssen, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt.
In Guttannen (BE) und Brienz (GR) drohen Bergstürze; im Misox-Tal forderten Murgänge drei Tote; Schwanden (GL) musste letztes Jahr wegen Erdrutschen evakuiert werden. Und heute fordert ein Erdrutsch im Tessin wiederum Tote. Diese Ereignisse werfen drängende Fragen auf: Wie lange können die Siedlungen in den Alpen noch geschützt werden? Wann wird deren Schutz zu teuer?
Forscher: Es gibt eine Konzentration auf regionale Zentren
Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur in Wien, prognostizierte kürzlich auf X: «Die Infrastruktur wird dort öfter zerstört werden, als man sie wieder aufbauen kann.» Er ist überzeugt, dass die Alpenländer «noch keine Vorstellung» davon hätten, was auf sie zukomme. «Wir werden in den Alpen Lebensraum verlieren», so Steurer. Gewisse Täler würden sich durch den Klimawandel leeren.
Er argumentiert, dass man sich in den Alpen auf eine Konzentration auf regionale Zentren vorbereiten müsse. Aktuell wäre es noch möglich, die Schäden nach Hochwassern und Murgängen zu beheben, damit Menschen dort wieder leben könnten. Mit wiederholten Naturkrisen in schwach besiedelten Regionen könnte es schwieriger werden, einen Wiederaufbau sozioökonomisch zu rechtfertigen.
Lukas Rühli vom liberalen Think-Tank Avenir Suisse stimmt zu: «Wir werden wohl nicht darum herumkommen, einzelne Siedlungen aufzugeben», sagt er. Er betont jedoch auch die Notwendigkeit einer offenen Diskussion über dieses Thema.
Ökonomische und soziale Herausforderungen
Die Debatte um das Aufgeben von alpinen Tälern ist komplex und berührt sowohl ökonomische als auch soziale Aspekte. Der Bund und die Kantone investierten letztes Jahr rund 625 Millionen Franken in den Schutz vor Naturgefahren. Doch wie lange können diese Investitionen angesichts der zunehmenden Bedrohung durch den Klimawandel noch gerechtfertigt werden?
Werner Bätzing, renommierter Alpenforscher, warnt davor, diese Frage rein aus einer ökonomischen Perspektive zu betrachten: «Der Staat hat die Verpflichtung, sich für die gesamte Fläche seines Gebietes verantwortlich zu fühlen», sagt er.