Bill Kaulitz

«Unwirtschaftlich»: Werden schwule Schafe tatsächlich getötet?

Riccardo Schmidlin
Riccardo Schmidlin

Bern,

Queere Aktivisten prangern die Tötung schwuler Schafe an. Auch Bill Kaulitz ist mit an Bord. Der Schafzuchtverband nimmt Stellung.

schwule Schafe
Der schwule Schäfer Michael Stücke aus Deutschland bietet schwulen Schafen Asyl. - zvg/Rainbow Wool

Das Wichtigste in Kürze

  • Schwule Schafe sind unwirtschaftlich und werden getötet, heisst es bei einem Projekt.
  • «Rainbow Wool» nutzt Wolle schwuler Schafe – und sammelt damit Geld für LGBTIQ+-Projekte.
  • Der Schafzuchtverband wehrt sich gegen die Behauptungen.
  • «So wie wir Menschen Sexualität leben, gibt es sie bei den Tieren nicht», heisst es dazu.

Homosexualität kommt nicht nur beim Menschen vor. Auch bei 1500 Tierarten kann gleichgeschlechtliches Sexualverhalten beobachtet werden.

Besonders gut dokumentiert und untersucht ist dieses bei Schafen. Rund zehn Prozent der Schafe wollen sich verschiedenen Studien zufolge mit Genossen des gleichen Geschlechts paaren. Weil sie sich nicht fortpflanzen wollen und können, tragen sie nicht zum Fortbestand bei.

Für die Schafe bedeutet das ihr Todesurteil – sie seien nämlich unwirtschaftlich. Das behaupten zumindest die Verantwortlichen hinter dem deutschen Projekt «Rainbow Wool».

Doch: Ein Bauer im deutschen Löhne gibt den zum Tode verurteilten Schafen Asyl.

Bill Kaulitz wirbt mit schwulen Schafen

Dank des schwulen Schäfers Michael Stücke werden aus der Wolle der schwulen Schafe dann Produkte wie Schuhbändel und Baseball-Caps hergestellt. Werbebotschafter des Projekts ist Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz.

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Bill Kaulitz bewirbt «Rainbow Wool» – ein Projekt, das sich für vermeintlich schwule Schafe einsetzt. - zvg/Rainbow Wool

Der Erlös fliesst an Projekte, die sich gegen die anhaltende Diskriminierung von LGBTIQ+-Personen weltweit einsetzen. Sprich: Es profitieren Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen, Intersexuelle und Queere. Beispielsweise wird ein Projekt in Uganda unterstützt, wo Queere systematisch diskriminiert, unterdrückt und verfolgt werden.

Gegenüber Nau.ch klärt eine Sprecherin auf: «Ein typischer Zuchtbock soll in etwas mehr als zwei Wochen 40 Mutterschafe befruchten.» Die Bereitschaft, sich mit dem anderen Geschlecht zu paaren, ist für die Zucht also essenziell.

Jetzt kommts: «Wenn ein Zuchtbock sich allerdings nicht paart, hat er für die herkömmliche Schafzucht keinen ökonomischen Wert.» Deshalb werden die schwulen Schafe in der Regel zum Schlachthof gebracht.

Schafzüchter: «Wir züchten Nutztiere»

Bei Nau.ch wehren sich hiesige Schafzüchter gegen diese Behauptungen. «Schwule Schafböcke sind kein Thema», sagt Christian Aeschlimann. Er ist Geschäftsführer des Schweizer Schafzuchtverbands.

Er stellt klar: «So wie wir Menschen Sexualität leben, gibt es sie bei den Tieren nicht.»

Zwar will Aeschlimann nicht ausschliessen, dass Schafböcke in einer Gruppe ohne weibliche Schafe einander besteigen. «Für unsere Arbeit als Schafzüchter ist das aber irrelevant.»

Folgendes müsse man beim Thema nämlich verstehen: «Wir züchten Nutztiere, keine Haustiere», so Aeschlimann. Will heissen: Damit ist auch die Wirtschaftlichkeit unabdingbar.

Findest du Schafe herzig?

«Wir züchten Schafe in erster Linie, um Fleisch, Milch und Wolle zu produzieren. Andererseits werden Schafe zur Umweltpflege eingesetzt.» Unter Letzterem versteht man Schafe, die Weiden pflegen, etwa durch Gras fressen. Dabei wird auch die Biodiversität gefördert.

«Schwule» Schafe könnten beim Grasen zum Einsatz kommen

Und da spiele «der Fortpflanzungstrieb keine Rolle», sagt Christian Aeschlimann. Vermeintlich schwule Schafe stellten bei der reinen Umweltpflege ohne die Produktion von Fleisch, Milch und Wolle also kein Problem dar.

Nach der Geburt werden rund 20 Prozent der Lämmer für die Zucht aufgezogen, damit sie sich später fortpflanzen können. Als Faustregel gilt: «Auf 30 weibliche Tiere braucht es im Durchschnitt einen Bock», sagt er.

Wird festgestellt, dass sich ein Bock nicht fortpflanzt, kommt dieser für die Umweltpflege oder für die Fleischproduktion zum Einsatz. Sprich: Er wird geschlachtet. Der Grund dafür spiele dabei aber keine Rolle, betont der Geschäftsführer des Schafzuchtverbands.

Offensichtlich will die Kampagne zur Rettung schwuler Schafe in erster Linie Aufmerksamkeit erzeugen. Und dafür gibt es anerkennende Worte.

Roman Heggli
Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross. - zVg

Roman Heggli ist Geschäftsleiter von Pink Cross, dem Schweizer Dachverband für schwule und bisexuelle Männer. «‹Rainbow Wool› ist eine grossartige Kampagne», lobt er bei Nau.ch.

«Sie macht mit schwulen Schafböcken auf die weltweite Diskriminierung von LGBTIQ+-Personen aufmerksam. Diese Verbindung mit etwas Schönem und Lustigem, das die Aufmerksamkeit erregt, ist sehr gut gemacht.»

Fördern queere Tiere Akzeptanz?

Bei der Relevanz des Arguments «Homosexualität ist natürlich – es gibt sie auch bei Tieren» gehen die Meinungen auseinander. «Es kann ein guter Start sein», meint Heggli. Gerade auch bei jungen queeren Menschen könnte dies helfen, sich und seine eigene Sexualität anzunehmen.

«Ob Homosexualität auch in der Tierwelt vorkommt, ist letztlich irrelevant. Wir existieren so oder so», stellt er klar. Relevanter sei daher, wie die Gesellschaft mit Homosexualität umgehe – und nicht, was in der Tierwelt passiert.

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