Walliser Schafzüchter-Paar gibt wegen Wolf auf
Dass ein Wolf fünf ihrer seltenen Schafe geholt hat, können Elise und Beat Spycher kaum verkraften. Nach 23 Jahren gibt das Walliser Züchter-Paar auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit 23 Jahren züchten Elise und Beat Spycher Walliser Landschafe – jetzt geben sie auf.
- Anfang Juli hat ein Wolf einen Drittel ihrer verbliebenen Herde getötet.
- Die restlichen zehn Schafe sollen nun verkauft werden, um sie zu schützen.
Die Zucht von urtümlichen Walliser Landschafen war ihr Lebensinhalt: Doch jetzt geben Elise und Beat Spycher-Andenmatten aus Eisten VS auf. Nach 23 Jahren verkaufen sie ihre Tiere – zumindest die, die noch übrig sind.
Alles änderte sich am 2. Juli dieses Jahres. Am Morgen ihres 61. Geburtstags informiert die Schafhirtin von der Mattwaldalpe Elise Spycher, dass einige Schafe verschwunden seien.
«Ich wollte nur noch sterben»
«Da habe ich gewusst, jetzt ist eingetroffen, was ich schon lange befürchtet habe», so die Züchterin zum «Walliser Boten».
Sofort ging sie selbst los, um die Schafe zu suchen. Vier fand sie tot auf, vom Wolf gerissen. Ein weiteres blieb vermisst. Für Spycher, die die Tiere einzeln beim Namen nennt, ist der Schmerz kaum auszuhalten.
«Ich wollte nur noch sterben. In den Bach springen und den Schmerz hinter mir lassen», sagt sie der Zeitung.
In der Schafzucht steckte enorm viel Herzblut. Denn es ging auch um die Erhaltung der alten Rasse der Walliser Landschafe im Rahmen eines Projekts von ProSpecieRara. Die Tiere sind besonders gut an die rauen Bedingungen in den Bergen angepasst und sehr genügsam. In Höhen von 2300 bis 3000 Metern über Meer fühlen sie sich besonders wohl.
Im Winter lebten die Tiere in einem Stall mit Freigang, im Sommer brachte Elise Spycher ihre Schafe auf die Alp. «Die Schafe vertrauten mir, den ganzen Winter über fütterte ich sie und verbrachte viel Zeit mit ihnen. Ich respektierte sie als Lebewesen mit ihren eigenen Charakteren», erklärt sie. Bis zu 50 Schafe hatten die Spychers zu Hochzeiten auf der Mattwaldalpe.
Bedrohung durch Wolf immer grösser
Aber seit 2015 ist die Bedrohung stetig gewachsen, die Wolfspräsenz immer grösser geworden. «Um die Schafe komplett vor dem Wolf schützen zu können, müsste ich sie jede Nacht im Stall einsperren. Und sie tagsüber hinter einem vier Meter hohen Zaun weiden lassen», so Elise Spycher gegenüber der Zeitung.
Trotzdem wird ein Herdenschutzkonzept umgesetzt: Eine Hirtin bewacht die Tiere tagsüber, nachts werden sie in einen geschützten Hag getrieben. Für die Walliser Landschafe, die tagsüber Schatten suchen und in der Nacht fressen, geht das aber gegen die Natur.
Auch aus diesen Gründen reduzierten Beat und Elise Spycher ihre Herde immer weiter. Nur noch 15 ihrer Schafe zogen dieses Jahr auf die Alp. In der Nacht weideten diese neben dem Hag mit den hornlosen Schafen, bewacht von zwei Hirtinnen und einem Zivildienstler. Doch auch das war nicht genug.
«Den Wolf müsste man regulieren»
So hat das Züchter-Paar nun beschlossen, die Schafe in weniger vom Wolf bedrohte Gebiete zu verkaufen. Denn: Sie nun doch einzusperren, käme nicht infrage. «Damit würden wir den Tieren ihre Freiheit nehmen, das wäre nicht artgerecht», so Spycher.
Elise Spycher betont: Sie sei nicht gegen den Wolf. Auch wenn sie im ersten Moment nach der Schreckensnachricht auch Wut gegenüber den Wolfsschützern empfand.
«Den Wolf müsste man regulieren, wie andere Wildtiere auch. Aber so, wie es zurzeit läuft, verliert der Mensch die Kontrolle.»