Weltweiter Geburtenrückgang ist stärker als gedacht – das hat Folgen
Ein Leben ohne Kinder liegt im Trend – mit fatalen Folgen für die Weltordnung. Auch Wohlstand und die wirtschaftliche Stabilität sehen Forschende in Gefahr.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Geburtenrate sinkt weltweit drastischer als bisher angenommen.
- Die Schweiz liegt mit der Quote von 1,5 Kindern pro Frau auf Rang 39.
- Der Rückgang dürfte in naher Zukunft fatale Folgen für die Weltordnung haben.
- Eine neue Studie zeigt auf, was auf die Menschheit womöglich zukommt.
Klimaschutz, Unfruchtbarkeit, moderner Lebensentwurf: Die Gründe, warum Frauen kinderlos bleiben, sind vielfältig. Die gesellschaftlichen Folgen, die aus dem weltweiten Geburtenrückgang resultieren, haben es aber in sich.
Dies zumindest, sollte das eintreffen, was eine neue Studie im Fachmagazin «The Lancet» aufzeigt. Die Forschenden sehen unter anderem einen Wettkampf um Migranten auf die reichen, aber kinderarmen Länder zurollen. Denn die Lösung hiesse derzeit Zuwanderung.
Überalterung gilt es zu verhindern
Die Szenarien in der Studie treffen auch auf die Schweiz zu. Die Rate liegt hierzulande bei 1,5 Kindern pro Frau. Das ist Platz 39 im weltweiten Vergleich, wie der «Tagesanzeiger» berichtet. Dabei braucht es eine Quote, die nicht unter 2,1 fällt, um eine Bevölkerungszahl stabil zu halten.
Global hat sich die Geburtenrate seit den 1950er-Jahren mehr als halbiert. Ende des Jahrhunderts, so schätzen die Studienautoren, werden noch etwa 72 Millionen Babys zur Welt kommen. Die Hälfte werde aus Afrika stammen.
Für Wirtschaft und Wohlstand bedeutet diese Entwicklung Gefahren, wie es in der Zeitung heisst. Letztlich geht es darum, wie die kinderarmen Länder eine Überalterung der Gesellschaft verhindern. Dies mitunter deshalb, um den Kollaps des Renten- und Gesundheitssystems abzuwenden.
Die Forschenden gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft und das internationale Machtgleichgewicht «völlig umgestaltet werden». Die Autoren sprechen von einer Neuordnung der Gesellschaften.
Mangelnde Spermienqualität als möglicher Grund
Die Warnungen vor Geburtenrückgang sind nicht neu, allerdings das Ausmass und die Geschwindigkeit. Auch die NZZ ging kürzlich auf das Thema ein und suchte nach Gründen für die tiefe Zahl neuer Babys.
Hier kam mitunter Katja Rost, Soziologieprofessorin und Co-Direktorin des universitären Forschungsschwerpunkts Menschliche Fortpflanzung an der Universität Zürich, zu Wort. Sie sagt, dass man alles haben wolle. Man suche «den richtigen Partner, eine etablierte Karriere, eine schöne Wohnung und finanzielle Reserven».
Der Zeitpunkt zum Kinderkriegen werde dadurch «immer weiter nach hinten verschoben und scheint nie der richtige zu sein».
Es gibt aber auch medizinische Gründe für den Geburtenrückgang: So belegen Studien, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die Spermienqualität bei den Männern weltweit verschlechtert hat. «Über die Gründe kann derzeit nur spekuliert werden», wird Brigitte Leeners, Klinikdirektorin und Reproduktionsmedizinerin am Universitätsspital Zürich, im Tamedia-Beitrag zitiert.