Coronavirus: Wie viel wissen Nachbarländer über Ansteckungsorte?
Das Wichtigste in Kürze
- Das BAG erfasst die Ansteckungsorte von Neuinfektionen nicht mehr.
- Auch unsere Nachbarländer sind dabei nur mässig erfolgreich, oder machen es gar nicht.
- Einzige Ausnahme: Österreich ordnet immerhin fast die Hälfte aller Ansteckungen zu.
Das BAG gibt auf. Nachdem für den Grossteil von 2020 nur ein kleiner Teil der Neuansteckungen zugeordnet werden konnte, bestätigte das Bundesamt gegenüber Nau.ch, dass Daten zu Ansteckungsorten nicht mehr systematisch erhoben werden. Die Zahlen zum Coronavirus seien zu wenig aussagekräftig.
BAG: «Nicht genug Daten»
«Infektionen treten überall dort auf, wo Verhaltens- und Hygieneregeln nicht eingehalten werden. Oder wo sie nicht eingehalten werden können», präzisiert Mediensprecher Daniel Dauwalder. Das sei besonders in geschlossenen Räumen der Fall.
Man könne mit den vorliegenden Statistiken aus den klinischen Meldeformulare aber keine aussagekräftige Analyse zu den Ansteckungsorten machen. «Die Kontaktsucharbeit der Kantone hilft, das Gesamtbild etwas zu vervollständigen, aber wir haben noch keine ausreichenden statistischen Daten», sagt Dauwalder. Obwohl die Datenerfassungssysteme seit Oktober in Betrieb seien, liefere derzeit nur die Hälfte der Kantone Zahlen an das BAG.
Die Schweiz ist mit dem Problem nicht alleine. Auch unsere Nachbarländer haben Schwierigkeiten damit herauszufinden, wo sich die Bevölkerung effektiv mit dem Coronavirus infiziert. Ausser Italien versuchen aber alle noch, Infektionen einem Ursprungsort zuzuordnen.
Deutschland
Im grossen Kanton informiert das Robert-Koch-Institut (RKI) im wöchentlichen Situationsbericht über die Ansteckungsorte. Auch in Deutschland kann nur rund ein Sechstel aller Coronavirus-Infektionen einem Ansteckungsort zugeordnet werden.
Dabei infizieren sich die meisten Menschen im privaten Umfeld. Auffällig ist jedoch, dass die zurückverfolgten Ansteckungen in Alters- und Pflegeheimen seit dem Herbst stetig wachsen. Mittlerweile machen sie einen grossen Anteil aus.
Auch in Spitälern und Arztpraxen nehmen die Ansteckungen mit dem Coronavirus zu. Deutlich schwächer betroffen ist der Freizeitbereich sowie die Gastronomie, welche durch die Lockdown-Massnahmen aber auch stark eingeschränkt sind.
Grundsätzlich bewegen sich die Neuansteckungen in Deutschland trotz Shutdown-Massnahmen immer noch auf hohem Niveau. «Einerseits haben wir zwar weniger Kontakte. Andererseits wissen wir scheinbar aber trotzdem wenig darüber, wo es gewesen sein könnte», sagte Epidemiologe Hajo Zeeb gestern dem «ZDF».
Frankreich
Die französische Regierung veröffentlicht keine aktuellen Zahlen zu den Ansteckungsorten. Ein erstes Pilotprojekt zur Ermittlung von Kontaktpersonen startete im Mai. Seit dem 27. Oktober erhalten aber Erwachsene, die positiv getestet wurden, einen Fragebogen per E-Mail zugeschickt, der auch mögliche Ansteckungsorte umfasst.
Eine Studie mit diesen Daten vom 17. Dezember vom Institut Pasteur zeigt: Rund 44 Prozent der befragten positiv Getesteten glaubten zu wissen, wo sie sich angesteckt haben. 35% wussten es nicht, 21% hatten immerhin eine Vermutung, woher sie die Infektion hatten.
Rund 35 Prozent jener Franzosen steckten sich innerhalb des eigenen Haushalts an. Es handelt sich dabei um den Anteil, welcher angab zu wissen, wo er sich infiziert hatte. 65 Prozent hatten sich ausserhalb ihrer Wohnung angesteckt.
33,1 Prozent steckten sich im Familienkreis mit dem Coronavirus an, 28,8 Prozent am Arbeitsplatz. Und schliesslich haben sich 20,8 Prozent im freundschaftlichen Umfeld angesteckt. Die Studie hebt dabei gemeinsame Mahlzeiten als zentrale Treiber der Pandemie hervor.
Coronavirus: Österreich hat Daten im Griff
In Österreich kommuniziert die Regierung wöchentlich offizielle Zahlen. Dabei war in den letzten fünf Wochen bei rund 40 bis 55 Prozent die Ansteckungsquelle bekannt.
Das ist mit Abstand der beste Wert in Mitteleuropa. Dabei muss festgehalten werden, dass Österreich seine Ersterkrankten separat zählt und die Hauptstadt Wien ihre Fälle selber analysiert.
Zugeordnet wird ein Grossteil der Infektionen auch in Österreich dem Haushalt (55-62 Prozent). Auf Platz zwei folgt der Bereich Gesundheit/Sozial mit 20-30 Prozent. Rund 10 Prozent stecken sich bei Freizeitbeschäftigungen an, und zwischen 2 und 4 Prozent bei der Arbeit.