Wohnungsnot: Nicht einmal Tourismus-Chefin der Lenk findet Wohnung
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Tourismusregionen spitzt sich zu – und wirkt sich inzwischen direkt auf den Arbeitsmarkt aus.

Das Wichtigste in Kürze
- In vielen Schweizer Berggemeinden herrscht akute Wohnungsnot.
- Saisonangestellte und junge Familien haben es besonders schwer.
- Der Wohnungsmangel verschärft den Fachkräftemangel in Tourismusregionen.
Die Wohnungsnot in den Schweizer Bergen ist inzwischen so gravierend, dass selbst eine Tourismusdirektorin betroffen ist: Helena Galanakis, die im Sommer 2024 ihre Stelle bei Lenk-Simmental Tourismus antrat, fand trotz intensiver Suche keine feste Wohnung.
Zunächst lebte sie in einem Hotel, dann in einer Airbnb-Wohnung, nun in einem befristeten Studio – mit ungewisser Zukunft. Dies berichtet der «Tagesanzeiger».
Leerwohnungsquote in Tourismusorten bei unter 0,5 Prozent
Diese Situation ist kein Einzelfall: Laut Bundesrat sind Tourismusgemeinden heute ähnlich stark vom Wohnungsmangel betroffen wie grosse Städte. Die Leerwohnungsziffer liegt in vielen Berggemeinden bei unter 0,5 Prozent – ähnlich wie in Zürich oder Bern.
Schweizweit liegt der Durchschnitt bei 1,1 Prozent. Besonders dramatisch ist der Rückgang in Tourismusregionen: Seit 2018 hat sich die durchschnittliche Leerstandsquote dort von knapp 2 auf 0,8 Prozent mehr als halbiert.
Der Wohnungsmangel verschärft den Fachkräftemangel in Tourismusregionen.
Thomas Egger, Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB), spricht von einer «dramatischen Entwicklung». Einheimische und junge Familien fänden kaum noch bezahlbaren Wohnraum und müssten oft wegziehen.
Saisonangestellte treffe es besonders hart, da sie meist nur kurzzeitig arbeiten, wenig verdienen und kaum über Beziehungen verfügen.
Der Wohnungsmangel hat auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. In Bewerbungsgesprächen sei die Frage nach Wohnraum wichtiger als jene nach dem Lohn, sagt Egger.
Auch Galanakis bestätigt das aus ihrer Arbeit. Ohne Wohnraum fehlen Servicekräfte, Skilehrer und Bahnpersonal – was zu einem spürbaren Fachkräftemangel führt.
Gemeinden starten erste Gegenmassnahmen
Als Gegenmassnahme empfehlen Egger und andere Experten kommunale Wohnstrategien.
Einige Gemeinden und Betriebe gehen bereits neue Wege: In Grimentz-Zinal wurden leerstehende Wohnungen durch Flyer-Aktionen gesucht und saniert, um Personalwohnungen zu schaffen.
In Zermatt müssen Hotels bei Neubauten künftig auch Unterkünfte für Angestellte einplanen.
Ein Grund für die verschärfte Wohnungsnot ist der Trend, nach der Pandemie dauerhaft in den Bergen zu wohnen. Oft im Homeoffice.
Hinzu kommt die Umwandlung von Erst- in Zweitwohnungen, die lukrativer sind. Auch Airbnb-Angebote tragen zur Verknappung bei, weshalb einige Gemeinden solche Vermietungen einschränken.
Der gemeinnützige Wohnungsbau spielt in den Bergen bisher kaum eine Rolle – das könnte sich aber ändern.
Graubünden plant ab 2026 Förderungen für Wohnbaugenossenschaften.
Ein Beispiel ist die «Cooperativa Lagrev» in Sils im Engadin: Dort entsteht mit Unterstützung der Gemeinde und durch Investitionen auch von Zweitwohnungsbesitzern günstiger Wohnraum für Einheimische.
Das Ziel: Das Dorf soll lebendig bleiben – mit Bäcker, Ärztin und Laden. Doch auch hier gibt es Widerstand – vor allem durch Einsprachen anderer Zweitwohnungsbesitzer.