Bauern

Wölfe reissen Kuh in Graubünden – Bauern sind verzweifelt

Raphael Wyder
Raphael Wyder

Chur,

Wölfe rissen vom Freitag auf Samstag im Kanton Graubünden eine Mutterkuh. Von Selbstjustiz rät der Bündner Bauerverband ab, auch wenn es ihm schwerfalle.

Wolf Abschuss
Der Tessiner Regierungsrat hat den Abschuss eines Wolfes im unteren Maggiatal genehmigt. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Kanton Graubünden ist am Wochenende eine Mutterkuh Opfer von Wölfen geworden.
  • In der Schweiz leben Stand jetzt rund 16 Wolfsrudel und etwa 150 Wölfe.
  • Die Bündner Bauern sorgen sich um ihre Herden, raten aber von Selbstjustiz ab.

In der Nacht auf Samstag haben mehrere Wölfe in Graubünden eine Mutterkuh gerissen. Laut kantonalen Behörden handelt es sich um den ersten Fall, bei dem ein ausgewachsenes Nutztier einer Rinderfamilie getötet wurde.

Der Vorfall ereignete sich auf der Alp Nurdagn am Schamserberg, wie der Kanton in seiner Medienmitteilung schrieb. Der Fundort der toten Kuh lag im Streifgebiet des sogenannten Beverinrudels. Dieses Rudel verhalte sich laut Kantonsvertretern seit Jahren «sehr problematisch».

Kuh
Mutterkühe auf einer Alp. (Symbolbild) - Keystone

Nun wollen Wildhüter einen Wolf des Beverinrudels narkotisieren und mit einem GPS-Sender ausrüsten, heisst es in der Mitteilung weiter. Mit dem Peilsender sollen mehr Informationen über das Raumverhalten der Tiere gewonnen werden.

Frust über Bundesbern sitzt tief

Bei den Bündner Bauern ist die Verzweiflung enorm gross, wie Sandro Michael, Geschäftsführer Bündner Bauernverband, gegenüber Nau.ch sagt. Besonders der Frust gegenüber Bundesbern sitze tief. Michael sagt: «Obwohl die Bündner Landwirtschaft nun schon jahrelang Hilfe von Bern fordert, bekommt sie diese nicht.»

Doch nicht nur das. Die Frage, ob Bündner Bauern nun zur Selbstjustiz – etwa mit einer Waffe – greifen, beantwortet der Geschäftsführer so: «Ich will mir gar nicht ausmalen, was durch die Köpfe der betroffenen Landwirte geht.» Von Selbstjustiz rate der Bauerverband zwar ab. Man tue sich aber «schwer dabei, da es aktuell an Alternativen fehlt», so Michael weiter.

Wolfspolitik
Kadaver von Schafen, die Wölfe erledgt haben, liegen vor dem Tessiner Regierungssitz anlässlich einer Protestaktion von Tessiner Bauern gegen die Wolfspolitik der Tessiner Regierung, am - Keystone

Und: «In diesem Kontext stellt sich auch die Frage, ob bereits der Schutz der eigenen Viehherde als Selbstjustiz definiert werden kann.»

Mittlerweile sorge sich der Bauernverband auch um «die Sicherheit der Älplerinnen und Älpler», wie er in einer Mitteilung schreibt. Er fordert den Bund und Kanton im Schreiben auf, den Rüden M92 zusammen mit dem Rudel zu entfernen. So sollen «weitere grosse Schäden» verhindert werden.

Mehrheit der Wölfe in der Schweiz unauffällig

Müssen Bauern in Zukunft mit mehr gerissenen Kühen rechnen? Bei der Tierschutzorganisation Wolf Schweiz wiegelt man ab.

«Im vergangenen Jahr lebten in der Schweiz rund 16 Wolfsrudel und etwa 150 Wölfe», erklärt Geschäftsführer David Gerke.

M92 Beverinrudel
M92, das Leittier des Beverinrudels, mit Beute. Aufnahme einer Fotofalle, 2019. - Amt für Jagd und Fischerei GR

Seit Jahren sinke die Zahl der Risse pro Wolf stetig, weil die überwiegende Mehrheit der Wölfe sich unauffällig verhält. «Es gibt jedoch immer wieder Wölfe, die Konflikte verursachen und sich nicht so verhalten, wie wir es gerne hätten. Mit dem wachsenden Wolfsbestand wird auch die Zahl dieser Individuen mit einem unerwünschten Verhalten ansteigen», so Gerke.

Und was tun, wenn Wölfe zu oft unerwünschtes Verhalten an den Tag legen?

Christina Steiner, Präsidentin des Vereins CHWOLF, gibt Antwort: «Wenn Wölfe gelernt haben, gut umgesetzte Herdenschutzmassnahmen zu umgehen oder sie sich auf Grossvieh spezialisiert haben und alle Vergrämungsmassnahmen nicht wirken, sollten gezielt die schadenstiftenden Tiere entnommen werden.»

Sind Sie schon mal einem Wolf begegnet?

Rudelregulation kann gegenteilige Wirkung haben

Sie kritisiert: Die Rudelregulation, wie sie in der heutigen Wolfspolitik umgesetzt werde, zeige keine nachhaltige Wirkung. «Diese besteht darin, die Hälfte der Jungtiere zu töten, welche ja nicht für die Schäden verantwortlich ist», so Steiner.

«Wie Studien bereits bewiesen, können Rudelregulierungen sogar genau die gegenteilige Wirkung haben, und die Risse können in den Folgejahren zunehmen.» Das ergänzt sie.

Das Beverinrudel sei hier ein gutes Beispiel: Zweimal habe bereits eine Regulierung stattgefunden, «doch die Schäden haben zugenommen».

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