Zürcher Teenies wollen bei Kontrollen Selfies mit Polizei
In Uster ZH lieben viele Teenager die lokalen Polizisten – teils wollen sie gar ein Selfie. Grund ist ihre Tiktok-Arbeit.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Stapo Uster klärt Jugendliche in Tiktok-Videos humorvoll über Regeln auf.
- Die Videos kommen bei vielen gut an – bei Kontrollen reagieren sie «weniger ablehnend».
- Ein Experte ist skeptisch. Er pocht auf mehr persönliche Interaktion statt Tiktok-Videos.
Wer die Generation Z erreichen will, versucht es am besten auf Tiktok: Die Videoplattform ist bei den Jungen besonders beliebt. Das weiss auch die Stadtpolizei von Uster ZH. Sie veröffentlicht regelmässig Videos, um Junge aufzuklären.
In den Clips erklärt die Polizei etwa, wie hoch die Busse ist, wenn man auf den Boden spuckt (40 Franken), wie gefährlich Schlagringe sind (sehr) und wie schlecht Pyros gelöscht werden können (kaum).
Das Ziel ist laut Polizist Christian Köstli vom Jugenddienst der Stapo: den Jugendlichen auf Augenhöhe ihre Fragen zu beantworten.
Teenies wollen Selfie mit Polizisten
Die Videos werden fleissig geklickt – der Account hat über 47'000 Follower und eine Million Likes. Für die Jugendlichen in Uster sind die Tiktok-Polizistinnen und -Polizisten also bekannte Gesichter. Teilweise wollen sie sogar ein Selfie mit ihnen schiessen, wie Köstli bei Nau.ch erzählt.
«Sie sind sehr bekannt für mich. Ich sehe sie immer auf Tiktok», sagt auch ein Teenager, der kontrolliert wird, gegenüber «Schweiz aktuell». Er reagiert sogar mit Verständnis: «Wir waren halt schon ein bisschen laut. Wäre ich Polizist, hätte ich uns auch kontrolliert.»
Jugendliche dank Tiktok «weniger ablehnend»
Ein Zeichen dafür, dass die Tiktok-Arbeit der Stapo fruchtet?
Köstli sagt zu Nau.ch: «Wir empfinden den Kontakt mit den Jugendlichen in unserem Einsatzgebiet als lockerer und weniger ablehnend.» Das habe aber nicht nur mit den Videos zu tun, sondern auch damit, wie der Jugenddienst mit den Jugendlichen umgehe.
Trotzdem: «Tiktok ist für uns ein Eisbrecher und kommt enorm gut an.» Ob durch die Videos gar die Jugendkriminalität im Einsatzgebiet sinke, lasse sich zwar schwer beurteilen. «Man kann die Zahlen nicht direkt mit Tiktok in Verbindung bringen.»
Aber es kann helfen, glaubt Köstli. «Wir haben beim direkten Kontakt schon mehrmals erlebt, dass sich Jugendliche untereinander selbst korrigiert haben.» Die Teenies wenden also das in den Videos Gelernte tatsächlich an.
«Die Prävention zeigt aus unserer Sicht bei den Jugendlichen ihre gewünschte Wirkung, online wie offline. Daher würden wir dies auch anderen Polizeikorps empfehlen», betont er.
In den Städten Zürich und Bern gibt es trotz des Erfolgs von Uster keine Tiktok-Cops. Es sind auch keine geplant. «Wir prüfen jedoch laufend unsere Kommunikationsstrategien», heisst es aus Bern. Die Stapo Zürich setze bislang nur auf Instagram, Facebook, Linkedin, Youtube und X, sagt Sprecher Marc Surber.
Die Kapos Aargau, St. Gallen, Luzern und eine Polizistin der Kapo Basel-Stadt posten regelmässig ähnliche Inhalte wie die Polizei Uster.
Experte: Teenies würden auf Influencer wohl besser hören
Und was sagt der Experte zur Tiktok-Polizei?
Kriminologe Dirk Baier ist skeptisch, wie er zu Nau.ch sagt. «Jugendliche schauen sich auf Tiktok vor allem Sachen an, die ihnen gefallen, alles andere wird schnell weggescrollt.» Ob die Polizei da mit Influencern mithalten kann?
Schliesslich gebe es zwischen Polizei und Teenagern eine gewisse Distanz. «Wir wissen aus Studien, dass junge Menschen ein geringeres Vertrauen in die Polizei haben. Das liegt daran, dass sie als ‹Spielverderber› gesehen wird.»
Die Jungen wollen über die Stränge schlagen und manchmal Gesetze brechen, weiss er. «All dies versucht die Polizei natürlich zu verhindern.» Damit würde sie ein wenig die Rolle der Eltern einnehmen – genau davon wollen sich Teenager abgrenzen.
Baier glaubt daher: «Es wäre sicherlich weit erfolgreicher, wenn die Personen, denen die Jugendlichen folgen, Messages verbreiten wie: ‹Lasst das Messer zu Hause.›»
«Direkte Interaktion» wichtig
Den Videos gegenüber ist der Experte also skeptisch, super findet er jedoch Polizei-Jugendarbeit. «Aus meiner Sicht braucht es für den Aufbau von Vertrauen die direkte Interaktion.»
Gut wäre es laut Baier, im Alltag, also zum Beispiel in den Schulen, persönliche Präsenz zu zeigen. «Und wenn es dann doch einmal kritische Situationen gibt, dann sollte die Polizei stets versuchen, fair aufzutreten.» Auf diese Weise erarbeite man sich am ehesten Vertrauen und Respekt.
Eine schlechte Sache findet er die Videos trotzdem nicht. Schaden richten sie jedenfalls nicht an, meint er.