Atomkraftwerk-Neubau: «Ein wirksamer Beitrag zur Klimapolitik!»
Warum braucht es dann eigentlich ein Verbot für neue Kernkraftwerke, fragt sich Hans-Ulrich Bigler. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Zur Volksinitiative «Blackout stoppen» soll es einen Gegenvorschlag geben.
- Bundesrat Albert Rösti will damit das AKW-Neubauverbot kippen.
- Ein Kommentar von alt Nationalrat Hans-Ulrich Bigler.
Letzte Woche hat Bundesrat Albert Rösti publik gemacht, dass er das Neubauverbot für Kernkraftwerke aufheben will. Umgehend reagierten die Grünen mit altbekannter Empörung.
Lisa Mazzone, Präsidentin der Grünen, verkündete kämpferisch: «Atomkraft hat keine Zukunft, unsere Zukunft sind erneuerbare Energien.»
Braucht es ein Verbot?
Wenn das wirklich so ist, fragt man sich: Warum braucht es dann eigentlich ein Verbot für neue Kernkraftwerke? Diese Ablehnung zeugt erneut mehr von ideologischer Starrheit als von sachlicher Weitsicht. Noch schlimmer: Dass dieser Bundesratsentscheid ein wesentlicher Beitrag an die Klimapolitik ist, wird vollständig ausgeblendet.
In seiner ihm eigenen Nüchternheit zählt Bundesrat Rösti die Gründe auf, die den Gesamtbundesrat zum Entscheid geführt haben. Zunächst gilt es – im Sinne einer wirksamen Klimapolitik – das Netto-Null Ziel und damit eine zielgerichtete Dekarbonisierung zu erreichen.
Einsprachen wenig hilfreich
Deshalb fallen fossil betriebene Gaskraftwerke als Option weg. Das markante Bevölkerungswachstum steigert den Energieverbrauch schneller und stärker als ursprünglich gedacht.
Wenig hilfreich sind da die Einsprachen – gerade auch von linker Seite – gegen erneuerbare Energien und Wasserkraft. Und schliesslich hat uns der Ukrainekrieg deutlich vor Augen geführt, wie schnell wir auch in der Schweiz in eine Strommangel-Lage geraten können.
Das sind Fakten. Es ist deshalb Zeit, die Energiepolitik der Schweiz mit einem nüchternen und realistischen Blick zu betrachten.
Die Herausforderungen unserer Energieversorgung lassen sich nicht mit einer einseitigen Fokussierung auf erneuerbare Energien lösen. Die Kernenergie, seit Jahrzehnten eine stabile und CO2-arme Stromquelle, muss Teil des Lösungsspektrums bleiben.
Es geht um ein «Sowohl-als-auch»
Das hat nicht zuletzt auch die EU mit Ihrem Entscheid zur green taxonomie erkannt. Nuklear ist hier anerkannter, umweltfreundlicher Teil der Lösung für eine wirksame Klimapolitik.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Kernenergie oft zu Unrecht in Konkurrenz zu erneuerbaren Energien gestellt wird. Dabei geht es nicht um ein «Entweder-oder», sondern um ein «Sowohl-als-auch». Um die Energiewende zu bewältigen, brauchen wir alle verfügbaren klimafreundlichen Technologien – von der Wasserkraft über Wind- und Solarenergie bis hin zur Kernkraft. Jede dieser Technologien hat ihre Stärken und Schwächen, und es liegt an uns, sie so zu kombinieren, dass sie sich gegenseitig optimal ergänzen.
Technologieoffenheit als Schlüssel
Technologieoffenheit ist somit der Schlüssel zu einer zukunftssicheren Energiepolitik und damit zu einer wirkungsvollen Klimapolitik. In einer Zeit globaler Unsicherheiten und wachsender Herausforderungen dürfen wir uns nicht auf eine einzige Energiequelle verlassen. Kernenergie ergänzt die erneuerbaren Energien, insbesondere in sonnen- und windarmen Zeiten, und sorgt so für eine stabile Stromversorgung.
Eine einseitige Ablehnung dieser Technologie ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch gefährlich für die Energiesicherheit der Schweiz.
Und vielleicht hilft für einmal auch ein Blick über den Tellerrand hinaus. Beispielsweise Tea Törmänen: «Dies ist nicht der Zeitpunkt, um eine kohlenstoffarme Energieform auszuschliessen. Wenn wir die globale Erwärmung begrenzen wollen, müssen wir alle verfügbaren Mittel einschliesslich der Kernenergie einsetzen.»
Törmänen ist eine der führenden Politikerinnen der Grünen Partei Finnlands und internationale Koordinatorin von «RePlanet». Auf der Webseite dieser NGO von Klimaaktivisten, die sich für das Klima und die Natur einsetzen, ist folgende Botschaft von zu lesen: «Liebe Greenpeace. Es herrscht ein klimatischer Notfall. Geben sie ihre veraltete und unwissenschaftliche Opposition gegen die Atomkraft auf! Atomkraft reduziert Treibhausgase und ist zusammen mit Solar- und Windkraft ein Schlüsselbestandteil eines sauberen Energiemixes.»
Konsequenterweise setzt sich der junge Flügel der Grünen Partei in Finnland aus Überzeugung für die Kernenergie ein.
Was können wir vom finnischen Beispiel lernen?
Die wichtigste Schlussfolgerung ist sicherlich, dass die Energiefrage nur auf rationale, ideologiefreie und pragmatische Art und Weise gelöst werden kann. Rational, weil die Fakten zeigen, dass mit Solar- und Windkraft alleine weder eine stabile Stromversorgung möglich ist, noch die für eine vollständige Dekarbonisierung erforderliche Strommenge erzeugt werden kann. Ideologiefrei, weil wir uns den grundsätzlichen Ausschluss von bestimmten Technologien aus rein ideologischen Gründen schlicht und einfach nicht mehr leisten können, wenn wir die vom Volk beschlossenen klimapolitischen Ziele tatsächlich erreichen wollen.
Girod will Kompromiss anbieten
Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Und deshalb liess ein Statement vom vielleicht bekanntesten grünen Nationalrat, Bastien Girod, in der Sonntagszeitung vom vergangenen Wochenende aufhorchen. Er rät seiner Partei, Bundesrat Rösti in Sachen AKW einen Kompromiss anzubieten. Mit Vernunft scheint sich also doch noch etwas zu bewegen.
Zur Person: Hans-Ulrich Bigler ist Ökonom und war von 2008 bis 2023 Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Er ist im Vorstand mehrerer Verbände, darunter auch das Nuklearforum Schweiz, und sass von 2015 bis 2019 für die FDP im Nationalrat. Heute ist Bigler SVP-Mitglied.