Balthasar Glättli zur Selbstbestimmungsinitiative
Das Wichtigste in Kürze
- Jede und jeder muss sich bei Willkür am Menschenrechtsgerichtshof zur Wehr setzen können.
- Bricht die Schweiz einfach internationale Verträge, wird sie unzuverlässige Partnerin.
Ein demokratischer Rechtsstaat steht auf zwei Beinen. Das eine Bein ist in der Schweiz sehr stark: die direkte Demokratie. Das andere Bein ist das Bein des liberalen Rechtsstaats: Die Garantie der Grundrechte. Ist dieses zweite Bein nicht ebenso stark, wie das erste, so hinkt unser Land.
Die Debatte um die «Selbstbestimmungsinitiative» ist juristisch komplex, die Kern-Botschaft der SVP aber banal: «Die Mehrheit hat immer Recht – auch dann, wenn sie das humanitäre Völkerrecht verletzt oder internationale Verträge bricht, ohne sie zu kündigen.» Wir GRÜNEN sagen nein zu einer solchen Diktatur der Mehrheit. Denn Menschen- und Grundrechte schützen das Individuum vor staatlicher Willkür. Eine Demokratie ohne Rechtsstaat, das ist, wie wenn sieben Füchse und eine Gans darüber abstimmen, was es zu essen geben soll.
Option Strassburg ist unverzichtbar
Jede und jeder muss darauf zählen können, sich bei Willkür und Diskriminierung am Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg zur Wehr setzen zu können. Das ist zwingend nötig: Denn die Bundesverfassung verbietet es dem Bundesgericht, einzugreifen – selbst dann, wenn das Parlament verfassungswidrige Gesetze beschliesst. Umso mehr brauchen wir die Option Strassburg. Um die Grundrechte, die in der Bundesverfassung festgeschrieben sind, real zu garantieren.
Und «last but not least» sollte gerade die Schweiz als Kleinstaat nicht – wie das die Initiative will – den Vertragsbruch zum Rechtsprinzip machen. Verträge kann man kündigen, natürlich! Bricht die Schweiz aber einfach internationale Verträge, ohne sie zu kündigen, wird sie zu einer unglaubwürdigen Verhandlungspartnerin.