Daniel Koch: «Mehr Adolf Ogi, weniger Wladimir Putin an EM!»
Der Sport verbindet die Menschen wie fast nichts anderes. Heutzutage wird er aber oft von Autokraten missbraucht. Daniel Koch fordert: Mehr Ogi, weniger Putin.
Das Wichtigste in Kürze
- Sportliche Grossevents werden heute oft von Autokraten genutzt, um sich zu profilieren.
- Dieser Entwicklung muss man entgegenwirken, findet Nau.ch-Kolumnist Daniel Koch.
- Es brauche wieder mehr Persönlichkeiten wie Altbundesrat Adolf Ogi.
- Bei der UN setzte sich Ogi einst für Sport «im Dienste von Frieden und Entwicklung» ein.
In knapp zwei Monaten findet in Deutschland die Fussball-Europameisterschaft statt. Obwohl ich nicht ein fanatischer Fussballfan bin, freue ich mich darauf. Vor allem kommen aber Erinnerungen an die Euro 2020 hoch – sie wurde als europaverbindendes Grossereignis in zehn Ländern geplant. Wegen der Coronapandemie konnte sie aber erst 2021 durchgeführt werden.
Die Uefa hat mich damals, nach meiner Pensionierung, wegen der verschiedenen Pandemiemassnahmen um Unterstützung bei der Vorbereitung und Planung angefragt.
Mit viel Arbeit vonseiten der Uefa-Mitarbeitenden und der Verantwortlichen in den zehn Ländern, in denen die Spiele im Sommer 2021 ausgetragen wurden, und mit speziellen Massnahmen für die Spieler und Zuschauenden wurde die Euro 2020 schlussendlich ein riesiger Erfolg.
Seit der Pandemie beeinflussen hauptsächlich Kriege den Sport
Nach diesem Turnier wurden nur noch wenige Sportveranstaltungen wegen der Pandemie abgesagt oder verboten. Selbst die Olympischen Sommerspiele 2020 wurden Ende Juli 2021 in Tokio eröffnet, wenn auch in Abwesenheit eines internationalen Publikums.
Als letzte sportliche Grossveranstaltung mit zum Teil absurden Einschränkungen wegen der Pandemie bleiben uns sicher die Olympischen Winterspiele in China im Februar 2022 in Erinnerung. Seit ebendiesem Jahr beeinflussen aber vor allem kriegerische Auseinandersetzungen, allen voran der Überfall Russlands auf die Ukraine, das internationale Sportgeschehen.
Ich erachte es auch heute noch für richtig und wichtig, dass trotz Krisen der Sport auf allen Ebenen ermöglicht und gefördert wird. Sport ist für die Gesundheit der Bevölkerung enorm wichtig.
Ohne den Spitzensport wäre die Jugend wohl kaum für den Breitensport zu begeistern. Im Sport trainieren wir nicht nur unsere Körper, sondern vor allem auch unsere Psyche und unser soziales Verhalten.
Gerade das soziale Gefüge ist für eine gesunde Jugend von enormer Wichtigkeit. Es profitiert aber nicht nur die Jugend vom Sport, sondern die ganze Nation – quer durch alle Bevölkerungsschichten.
Es gibt kaum andere Ereignisse, die so grosse Begeisterung der Massen auslösen. Nirgends entsteht ein solches «Freude herrscht» wie beim Sieg nationaler Sporthelden. Das wusste auch unser ehemaliger Sportminister und Altbundesrat Adolf Ogi.
Er hat immer das Verbindende und Positive im Sport betont. Dass er von 2001 bis 2007 «Sonderberater für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden» beim Generalsekretär der UN, Kofi Annan, war, erscheint heute wie ein Märchen aus einer vergangenen friedlicheren Zeit.
Welt muss sich wieder auf Grundwerte des Sports besinnen
Heute werden bei den meisten sportlichen Grossveranstaltungen in erster Linie die Sicherheit und die Politik diskutiert. Die Gefahr terroristischer Anschläge ist so gross wie noch nie. Dazu kommt eine ausufernde Gewaltbereitschaft von Hooligans.
Das Aufgebot an Sicherheitspersonal übersteigt bei Weitem das erträgliche Mass. Kaum eine Sportart wird nicht zu politischen und weltanschaulichen Demonstrationen missbraucht.
Am schlimmsten ist jedoch, dass autoritäre Staatsführer politische Grossveranstaltungen zu einer reinen Ego-Show und Machtdemonstration missbrauchen. Putin und die Olympischen Winterspiele in Sotschi bleiben wohl als Schandfleck haften wie die Olympischen Spiele in Berlin 1936, die Hitler unter einer Naziflagge ausführen liess.
Aber trotzdem wäre es falsch, wenn man jetzt alle sportlichen Grossveranstaltungen verdammt und abschafft. Die Welt würde dadurch kaum besser und schlussendlich widerspiegelt die Politik im Sport nur das Geschehen auf diesem Planeten.
Aber es muss verlangt werden, dass sich die Verantwortlichen für den Sport und Funktionäre wieder auf die Grundwerte des Sports zurückbesinnen.
Friedliche, faire und respektvolle Wettkämpfe mit Respekt für die Sportler und zur Freude der Nationen. Wir brauchen Politiker und Sportverantwortliche, wie es Adolf Ogi einst war, weltweit.
Der Sport darf nicht dem reinen Business und Gigantismus geopfert werden, sondern er soll einen Beitrag leisten zum Frieden und der Entwicklung aller Nationen. Und wenn eine Nation diese Werte mit Füssen tritt, dann muss sich die Welt dagegen auflehnen.
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Zum Autor: Daniel Koch war zwischen 2008 und 2020 Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Er ist der Öffentlichkeit als «Mister Corona» bekannt und schreibt nun regelmässig Kolumnen auf Nau.ch. Koch lebt im Kanton Bern und hat im letzten Jahr die Ukrainerin Natalia geheiratet.