Stadt Zürich

Economiesuisse: «Energiewende macht nicht unabhängig – zum Glück!»

Lukas Federer
Lukas Federer

Zürich,

Es gibt haufenweise gute Gründe, von fossilen Energieträgern wegzukommen. Die Unabhängigkeit vom Ausland gehört aber nicht dazu. Gastbeitrag von Economiesuisse.

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Logo des Verbandes Economiesuisse. (Archiv) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei der Energiewende sind die Bestrebungen nach Unabhängigkeit vom Ausland zu gross.
  • Die Energiemärkte sind weltweit vernetzt. Das ist gut so und dürfte in Zukunft so bleiben.
  • Ein Gastbeitrag von Economiesuisse.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben auch Energiefachleute einen geopolitischen Riecher entwickelt: Wir verschwenden jedes Jahr Milliarden für Öl und Gas aus dem Ausland und machen uns damit abhängig von zunehmend unsicheren Lieferungen aus fragwürdiger Herkunft. Mit dem Umbau der Energieversorgung auf Erneuerbare würden wir uns endlich dieser Abhängigkeit entledigen, so der Tenor. Ein europäischer «Energie-Merkantilismus» wird salonfähig – möglichst viel exportieren, möglichst wenig importieren, wie einst bei Sonnenkönig Louis XIV. Diese Sichtweisen greifen zu kurz. Vor allem gäbe es haufenweise bessere Argumente, um von fossiler Energie wegzukommen. Es ist daher schade, dass man eine verfehlte Handelspolitik und Fantasien einer totalen Unabhängigkeit bespielen muss.

Economiesuisse
Lukas Federer, stellvertretendes Geschäftsleitungsmitglied bei economiesuisse und verantwortlich für Infrastruktur und Digitalisierung. - zVg

Aber der Reihe nach: Die Energiemärkte sind weltweit vernetzt. Das ist gut so und dürfte auch in Zukunft so bleiben. Nur dank eines global liquiden Öl- und Gas-Markts konnte sich Europa zum Beispiel in kürzester Zeit überraschend schnell aus der fatalen Abhängigkeit von russischer Energie lösen. Der integrierte Weltmarkt war in der Lage, Alternativen bereitzustellen und Europa aus der Patsche zu helfen.

Versorgungssicherheit ist nicht das Gleiche wie Selbstversorgung

Das Beispiel zeigt: Versorgungssicherheit ist nicht das Gleiche wie Selbstversorgung. Auch eine vollständig erneuerbare Energieversorgung in Europa wird unweigerlich in weltweite Lieferketten eingebunden sein: Wasserstoff kommt zwangsläufig aus dem Süden und selbst wenn Schweden und Finnland im grossen Stil seltene Erden schürfen, werden PV-Module, Batterien oder synthetische Treibstoffe in Europa oder gar in der Schweiz nie ausreichend, hochwertig und günstig hergestellt werden. Das ist aber auch nicht weiter schlimm: Abhängigkeit entsteht nicht durch einen globalen Austausch, sondern durch Klumpenrisiken in den Lieferketten und fehlende Diversifizierung beim Energiemix.

balkonkraftwerk
Solarmodule für ein sogenanntes Balkonkraftwerk hängen an einem Balkon. - Stefan Sauer/dpa

Bei den Lieferketten ist der Nachholbedarf riesig. Nur ein Beispiel: China ist heute mit Abstand die grösste Produzentin von Photovoltaik-Modulen. Vom hierfür wichtigsten Rohstoff (Silizium) produziert es mehr als der restliche Weltmarkt zusammen. Ähnlich sieht es bei den Batterien aus: Von den zehn grössten Batterieproduzenten der Welt sind fünf Chinesisch. 2019 kontrollierten diese Firmen etwa 60 Prozent der gesamten Wertschöpfungsketten für Lithium-Ionen-Batterien. Europa holt zwar auf, aber viel Produktionskapazität in unseren Breitengraden wird letztlich auch chinesisch kontrolliert sein.

Soll die Schweiz bei der Energie auf Selbstversorgung setzen?

Das ist aber sehr wohl ein strategisches Klumpenrisiko. Zu meinen, man sollte stattdessen alles selber machen, führt jedoch vom Regen in die Traufe. Auch in einer unsicheren Welt ist Handel kein Nullsummenspiel, sondern begünstigt alle Beteiligten. Strategische Resilienz entsteht aus intelligenten Partnerschaften, die eine freie Handelspolitik einrahmen. Deshalb müssen die Schweiz und Europa frühzeitig in eine diversifizierte, resiliente Beschaffung von erneuerbaren Technologien investieren und auch den politischen Diskurs in Richtung einer «wachsamen Offenheit» entwickeln. Für die Abkehr von fossilen Energieträgern braucht es das fadenscheinige Narrativ «wir gegen den Rest der Welt» hingegen nicht.

Zum Autor: Lukas Federer, stellvertretendes Geschäftsleitungsmitglied bei economiesuisse und verantwortlich für Infrastruktur und Digitalisierung. Er ist 34 Jahr alt und lebt in Basel.

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