Fabian Molina (SP): Darum gehört Gott nicht in die Verfassung
Fabian Molina will Gott aus der Verfassung streichen. Der Nau.ch-Halleluja-Kolumnist findets fürchterlich. Nun erklärt der SP-Mann das Anliegen im Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Fabian Molina will mittels Vorstoss Gott aus der Präambel der Bundesverfassung verbannen.
- Der freikirchliche Nau.ch-Kolumnist Sam Urech findet das eine fürchterliche Idee.
- Im Gastbeitrag erklärt der Zürcher SP-Nationalrat nun detailliert.
«Ihr sollt nicht falsch bei meinem Namen schwören; du würdest sonst den Namen deines Gottes entweihen. Ich bin der Herr.» So steht es im Buch Levitikus, Kapitel 19. Wer also Gottes Namen für bestimmte, eigene Zwecke benutzt, begeht eine Sünde.
Gott kann gerade durch die Anrufung und scheinbare Bejahung seiner Macht gelästert werden. Und trotzdem beginnt die Präambel der Bundesverfassung (BV) vom 18. April 1999 nach wie vor mit den Worten: «Im Namen Gottes des Allmächtigen!»
Der «Halleluja»-Kolumnist von Nau.ch, Sam Urech, hat sich am Freitag fürchterlich darüber aufgeregt, dass ich dies mit einem Vorstoss ändern möchte. Deshalb erkläre ich hier auch gläubigen Menschen meine Überlegungen dahinter.
Der Prozess zur Totalrevision der BV zog sich in den 1990er Jahren über mehrere Jahre und schon damals war der Allmächtige umstritten. Zu keinem Zeitpunkt wurde der liebe Gott gefragt, ob das Schweizervolk einen weltlichen Text in seinem Namen verkünden darf.
Und obwohl die Bibel selbst eine klare Meinung dazu hat, war der Aufschrei gross, als ich im März über eine Parlamentarische Initiative anregte, die Präambel der BV in diese Hinsicht zu korrigieren.
«Staat muss allen Religionen gegenüber neutral sein»
Theologisch gibt es weitere gute Gründe gegen die politische Vereinnahmung Gottes: Der Protestantismus gründet ja gerade auf der direkten Beziehung des Gläubigen zu Gott – ohne Vermittlung durch eine weltliche Autorität. Und die katholische Kirche akzeptiert seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die relative Laizität des Staates und der weltlichen Sachbereiche.
Religiosität und weltanschauliche Überzeugungen haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Neben dem Christentum sind Judentum, Islam, zahlreiche Formen von Religiosität und Spiritualität sowie Konfessionslosigkeit in der Schweiz weit verbreitet. Alle sind gleichermassen schützenswert, so sieht es Art. 15 der BV und auch die Europäische Menschenrechtskonvention vor.
Das Recht verpflichtet also den Staat explizit, die Ausübung aller Formen des Glaubens zu garantieren. Das ist nur möglich, wenn er gegenüber religiösen Angelegenheiten neutral ist. Diese Erkenntnis setzte sich bereits in der Aufklärung durch und wurde in der ersten Verfassung von 1848 verankert. Die Präambel widerspricht diesem Grundsatz und ist nichts mehr als Folklore.
Aber wo liegt dann das Problem? Die Debatte um die Burka-Initiative hat deutlich gezeigt, dass in der Schweiz einige Religionen etwas gleicher sind als andere. Bereits laufen Bestrebungen, das Kopftuch zu verbieten. Und Antisemitismus und Antiislamismus haben in der Schweiz in den letzten Jahren zugenommen.
«Die Schweiz ist kein christliches Land»
Hier muss der Staat seine Schutzverantwortung besser wahrnehmen. Aber auch der politische Diskurs muss sich ändern: Die Behauptung einer christlich-abendländischen Tradition in der öffentlichen Auseinandersetzung ist kontraproduktiv.
Wer Gott für seinen Nationalismus vereinnahmt, schliesst vor allem andere aus und verweigert ihnen die Zugehörigkeit zu unserem Land. Die Schweiz mag eine christliche Geschichte haben. Aber die Schweiz ist kein christliches Land.
Die Schweiz hat einen Gesellschaftsvertrag, der auf Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten basiert. Alles Werte, die gegen die klerikalen Privilegien erkämpft wurden und schlussendlich auch den christlichen Glauben schützen. 2021 wird es Zeit, dass wir uns von nationalistischen und religiösen Mythen verabschieden und eine Verfassung bekommen, die alle gleichermassen einbezieht und anspricht.
Auf Erden sind wir Menschen für unsere Geschicke verantwortlich – nicht Gott. Und trotzdem hält die Zürcher Verfassung einleitend fest, dass sich das Zürcher Volk diesen Rechtstext «im Wissen um die Grenzen menschlicher Macht» gibt. So geht ein moderner Umgang mit der Transzendenz.