Koch zu Affenpocken: «Schuldenbremse tötet Menschen in Afrika!»

Die Schweiz sollte mehr Geld in die Armutsbekämpfung investieren, statt die Schuldenbremse zu priorisieren, findet Daniel Koch in seiner Kolumne.

daniel koch Ukraine Krieg
Daniel Koch schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Investitionen in Frieden, Entwicklungshilfe und Verteidigung retten Menschenleben.
  • WHO erklärt die Affenpocken-Epidemie im Kongo zur Gefahr von internationaler Tragweite.
  • Das Parlament sollte sich noch einmal mit Vertretern der NGO Alliance Sud besprechen.
  • Eine Kolumne von Daniel Koch.

Am 14. August erklärte der Generalsekretär der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Epidemie, die im Kongo durch das Mpox-Virus (zu Deutsch Affenpockenvirus) verursacht wird, zu einer Gefahr von internationaler Tragweite.

Dies bedeutet noch lange nicht, dass die Weltbevölkerung sich vor einer neuen Pandemie wie 2020 fürchten muss. Denn: Das Mpox-Virus hat nicht die Eigenschaft, sich so schnell und leicht zu übertragen wie das Coronavirus (Covid-19). Um sich anzustecken, braucht es den engen körperlichen Kontakt mit einer angesteckten, erkrankten Person.

Mpox-Virus als internationale Bedrohung

Die WHO hat bereits von Juli 2022 bis Mai 2023 einen Ausbruch des Mpox-Virus als internationale Bedrohung deklariert. Diese Variante des Virus wird hauptsächlich durch sexuelle Kontakte übertragen und zirkulierte weltweit vor allem in der Schwulenszene.

affenpocken mpox
Affenpocken (Mpox) verursachen Fieber und Muskelschmerzen. - AFP/Archiv

Zwar gibt es dank Aufklärung, Vorsichtsmassnahmen und Impfungen immer weniger Fälle, aber verschwunden ist das Virus auch ausserhalb Afrikas nicht.

Warnung gilt neuer Variante

Die jetzige Warnung gilt einer neuen Variante, die im Kongo und in umliegenden Ländern vor allem auch bei Kindern zirkuliert. Ausserhalb Afrikas wurde ein erster Fall in Schweden entdeckt, aber in seiner jetzigen Form sind keine grösseren Ausbrüche zu erwarten.

Keine funktionierende Gesundheitsversorgung

In Afrika wird die Anzahl der schweren Erkrankungen und Todesfälle jedoch noch massiv ansteigen, und zu Recht kann man sich fragen, warum? Die Antwort lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Armut.

Der Kongo im Herzen des afrikanischen Kontinents ist unvorstellbar gross und grösstenteils von einem riesigen tropischen Regenwald bedeckt. Das gesamte Gebiet, in dem sich jetzt das Mpox-Virus ausbreitet, einschliesslich der Nachbarländer, ist bitterarm und verfügt über keine wirklich funktionierende Gesundheitsversorgung.

Viele Kinder erleben den fünften Geburtstag nicht

Wir sehen auch nur einen Bruchteil der Fälle, und auch nur ein Bruchteil der Todesfälle dürfte registriert werden. Ausserdem zirkulieren in diesem Teil der Welt sehr viele andere Tropen- und Infektionskrankheiten.

demokratische republik kongo
Mutter und Kind im Kongo. - keystone

Laut der Statistik über die Kindersterblichkeit dürften fünf bis zehn Prozent der Kinder ihren 5. Geburtstag nicht erleben.

Gefahr bleibt bestehen

Die tropischen Gebiete in Afrika sind ein Reservoir für neue Viruserkrankungen wie etwa das HIV-(Aids)-Virus, das dort seinen Ursprung hat, oder das Ebola-Virus, das zwischen 2014 und 2016 in Westafrika über 11'000 gemeldete Todesfälle verursachte.

Solange diese Gegend so arm bleibt, dass Krankheitsausbrüche erst sehr spät entdeckt werden, wird die Gefahr des Auftretens einer neuen, katastrophalen Viruserkrankung bestehen bleiben. Viren, die unentdeckt zirkulieren, können sich verändern, plötzlich leichter übertragen werden und eine neue Pandemie auslösen.

Reichtum kommt nicht bei der Bevölkerung an

Aber die Gegend ist auch reich, unglaublich reich an Bodenschätzen, die ungeniert von der Welt genutzt und ausgebeutet werden.

Der Reichtum kommt jedoch leider nicht bei der Bevölkerung dieser Länder an. Reich werden diejenigen, die mit Rohstoffen handeln oder sie verarbeiten.

Soll die Schweiz mehr Geld für Afrika investieren?

Die Schweiz gehört weltweit zu den grössten Handelszentren im Bereich der Rohstoffe. Laut der NGO Public Eye beträgt der Anteil dieser Branche am schweizerischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) zehn Prozent. Umgerechnet in US-Dollar belief sich das BIP der Schweiz im Jahr 2023 auf 887 Milliarden, was bei einer Bevölkerung von 8,9 Millionen einem BIP pro Kopf von knapp 100'000 US-Dollar entspricht.

Richtige Investitionen an richtigen Orten

Im Jahr 2023 betrug das BIP pro Kopf im Kongo rund 673 US-Dollar. Vielleicht sollte sich das Schweizer Parlament vor der nächsten Finanzdiskussion noch einmal mit Vertretern der NGO Alliance Sud zusammensetzen und besprechen, wie mehr Geld in die Armutsbekämpfung investiert werden kann.

Denn die Schuldenbremse, die offensichtlich das oberste Ziel unserer Politik ist, rettet keine Leben. Im Gegenteil: Sie tötet Menschen.

Die richtigen Investitionen an den richtigen Orten – seien es Bemühungen um Frieden, gute Entwicklungshilfe oder auch die richtige Landesverteidigung – zahlen sich mittel- und langfristig in geretteten Menschenleben aus. Auch bei uns in der reichen Schweiz.

Zum Autor: Daniel Koch war zwischen 2008 und 2020 Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Er ist der Öffentlichkeit als «Mister Corona» bekannt und schreibt nun regelmässig Kolumnen auf Nau.ch. Koch lebt im Kanton Bern und hat im letzten Jahr die Ukrainerin Natalia geheiratet.

Kommentare

User #4411 (nicht angemeldet)

So lange diese wieder-mal "neue Seuche" (die es seit Jahrhunderten gibt) sich nicht hier in der Schweiz ausbreiten tut.. Ist alles Safe. Lieber diese Hilfe, die man "sponsoren" will hier auf Halde bunkern, damit es falls wir es dann mal bräuchten.. Auch sicherlich da ist. Prävention für UNS! Das sollte der Weg sein den man beschreiten sollte und nicht Geld aus dem Fenster werfen, wenn man eh schon im Voraus weiss, das es nie bis zu diesen Bedürftigen ankommen wird.

User #3503 (nicht angemeldet)

Nichts ist tödlicher als Dummheit.

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