LGBTQIA+-Blog: «Ich, 15, treffe schwule Männer online»

Lucas
Lucas

Bern,

Auch diese Woche nimmt uns Blogger Lucas mit in seine Welt. In Teil 2: Wie es dazu kam, dass er mit 15 Nacktbilder an fremde Typen verschickt hat.

Online Dating
Lucas schreibt diese Woche über seine Erfahrungen mit Online Dating als Minderjähriger. - Pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Lucas (Anfangs 20) lebt in der City und nennt sich selbst ein Träumer der Extraklasse.
  • Gerade heraus gibt er einen Einblick in die Extremen der Generation Z und LGBTQIA+-Welt.

«Mir macht es nichts aus, dass Du noch nicht 16 bist. Finde dich echt süss. Hast Du Nacktbilder?». Das ist eine der vielen gleichen Nachrichten, die ich als 15-Jähriger auf einer Gay-Dating-App erhalten habe.

Ich war noch minderjährig. Doch ganz ehrlich, das war den Männern egal. Eher im Gegenteil: Ich realisierte schnell, dass viele Typen darauf standen, mit einem Teenie Sex zu haben. Mein erster Versuch vom Online-Dating scheiterte also schnell und ich machte mich wieder an die Hausaufgaben fürs erste Lehrjahr.

Doch seit meiner ersten Erektion wegen eines Typen mit ungefähr 13 konnte ich mich selber gar nicht mehr belügen: Ich wusste, da war etwas an mir, dass ich entdecken musste.

Britain Protest
LGBTQ-Fahnen wehen im britischen Hyde-Park während eines Protests. - keystone

Um ehrlich zu sein: Zuerst habe ich dieses Gefühl verdrängt. Ich stehe sicher nicht auf Männer, redete ich mir ein.

Auf der Suche nach Ausreden

Warum? Ganz einfach; aufgewachsen in einem kleinen Dorf, konservative Eltern, ein Umfeld das «schwul» als Schimpfwort benutzt und viele weitere Gründe. Der Klassiker – auch noch im 21. Jahrhundert.

Ich war also minderjährig und habe mich vor allen anderen verleugnet. Doch vor mir selber konnte ich das nicht lange. Zu gross war dieser Drang, dem Gefühl in mir nachzugeben. Deshalb entschied ich mich mit 15, andere Männer online kennenzulernen.

Online Dating
Blogger Lucas sammelte als schwuler 15-Jähriger erste Erfahrungen - mit Online Dating. - pexels

Und da sind wir vorhin stehengeblieben.

Ich wusste nicht, was für eine Welt mich erwarten würde. Ich war zu naiv. Meine Vorstellung von Typen, die mir herzige Texte schreiben würden, stellte sich als Wunschdenken heraus. Auf dieser Plattform wurde ich ausschliesslich von anzüglichen Nachrichten, Nacktfotos und Sexanfragen überhäuft.

Nach weniger als einer Woche löschte ich wieder alles. Ich war 15 und der Altersdurchschnitt der Internetseite betrug etwa 30-40 Jahre. Offensichtlich hatte ich keine Ahnung, welches der beste Ort für einen jungen Teenie wie mich war, um gleichaltrige Typen online kennenzulernen. Ich gab aber noch nicht auf.

Ich fragte Google nach Apps. Schliesslich habe ich diejenige mit den meisten Bewertungen heruntergeladen: Romeo, damals noch PlanetRomeo. Ich war überzeugt, dort besser aufgehoben zu sein.

Allein vor dem Spiegel

Doch ich wurde schnell enttäuscht. Ich hatte das Gefühl, dass – egal in welchem Alter –alle nur Sex wollen.

Sobald ich ein Bild gesendet habe und sie gemerkt haben, dass ich 15 war, wurde es oft noch perverser. Wenn ich keine Nacktbilder senden wollte, bekam ich keine Antwort mehr. Ich weiss noch gut, wie verloren ich mich damals gefühlt habe.

Vor allem, weil ich es niemandem erzählte, den ich kannte. Ich wusste ja selber gar nicht, wie ich das alles richtig verarbeiten und einstufen sollte. Und ich war so überrumpelt von der Omnipräsenz von Sex auf all diesen Plattformen, dass ich irgendwann nachgeben habe.

homosexuelle
Gewalt treibt viele Frauen, Mädchen und LGBTIQA+-Personen dazu, aus ihren Ländern zu fliehen. - Keystone

Ich bin nicht stolz darauf, aber ich war alleine und meine einzige Referenz waren all die Typen, die ständig Nacktbilder von mir wollten. So kam es dazu, dass ich mich als 15-Jähriger nackt vor meinem Badezimmerspiegel wiederfand. Mit meinem Smartphone in der Hand. Um die Bilder zu schiessen, nach denen alle immer sehnsüchtig verlangt haben.

Ganz ehrlich, ich war mir sicher, dass es keine andere Möglichkeit gab, Typen näherzukommen. Um dazuzugehören zwang ich mich also, dem Druck nachzugeben. Aber ich war noch minderjährig und eigentlich war es mir nicht egal.

Nicht nur Perverslinge kennengelernt

Alleine wie ich mich fühlte, entschied ich mich, lieber das Spiel mitzuspielen, als schon von Anfang an zu verlieren. Ich bin nicht stolz auf alle Entscheidungen, die ich mit 15 getroffen habe. Doch wer kann das schon von sich behaupten?

Worauf ich stolz bin, ist, dass ich durchgehalten habe. Denn nebst den vielen, sehr vielen Sex-Nachrichten habe ich auch tolle Typen kennengelernt, mit denen es ganz anders war. Ich hatte einige wirklich schöne Bekanntschaften, von denen ich euch natürlich hier auch noch erzählen werde…

Cya!

Über Lucas: Der Anfangszwanziger lebt in der City und nennt sich selbst ein Träumer der Extraklasse. Gerade heraus schreibt er über sein junges Leben und gibt einen tiefen Einblick in die Extremen der Generation Z und LGBTQIA+-Welt.

*Für die ältere Generation: Wörterkatalog Generation Z

Match: Wenn zwei Personen sich auf einer App gegenseitig liken, ist es ein Match.

Geghostet: Jemanden blockieren, löschen, den Kontakt abbrechen.

Fuckboys: Typen, die nur Sex wollen.

Coming-Out: Eine Handlung, welche die Gesellschaft allen nicht heterosexuellen Menschen aufzwingt. Da sie nicht den Erwartungen entsprechen, nicht gleich zu sein wie sie.

Ungeoutet : Noch ohne Coming-Out.

Baby chill : Entspann dich.

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