Radu Golban über den Corona-Kult
Das Wichtigste in Kürze
- Da der Blick auf die Nach-Corona-Welt wichtig ist, muss die Risikokultur überdacht werden.
- Ansonsten katapultiert uns der neue Corona-Kult ins Steinzeitalter zurück.
- Ein Gastbeitrag von Radu Golban zum Coronavirus.
Der neue Corona-Kult wird uns vermutlich mehr ins Steinzeitalter katapultieren als die Krankheit selbst. Nach der Pensionierung von Dr. Daniel Koch werden junge motivierte Brigaden von Klimaaktivisten das Ruder übernehmen und den Lockdown als Erfolg für die Umwelt feiern. Daher sollte man sich nicht zu früh auf ein Ende der COVID-19-Eindämmungsmassnahmen freuen, weil es weit schlimmer kommen könnte.
Obschon zahlreiche Liebespaare am deutsch-schweizerischen Grenzzaun momentan nur mit Mühe ihre Zungen touchieren und auf eine Lockerung hoffen, wird es wahrscheinlich in der post-Corona-Zeit nicht zu Orgien kommen, wie nachdem man die Pest besiegt hatte. Stattdessen sollen Rehe die Innenstädte wieder zurückerobern und Blumen statt Autos die Infrastruktur besiedeln.
Sozialpsychologe Rüdiger Maas hat die Ergebnisse einer jüngsten Meinungsumfrage, insbesondere bei der Generation Y (1980-1994) und Z (1994 und danach), analysiert, die von einer gesellschaftlichen Neuordnung der Welt ausgehen. Da es die letzten Buchstaben des Alphabets sind, sollte man die Hoffnungen nicht zu hoch ansiedeln. Vermutlich hätten die legendären Trümmerfrauen nach dem Zweiten Weltkrieg heute wenig Chancen, den Schutt wegzuräumen, da ein gewisser Infantilismus die Trümmer lieber in Brutstätten für Regenwürmer verwandeln würde. Der fehlende Wiederaufbaugedanke ist weit beängstigender als der virale Krankheitsverlauf.
Corona-Management wird zur Glaubensfrage
Da das politische Corona-Management längst zu einer Glaubensfrage mutiert ist und andersdenkende Wissenschaftler von Fachsimplern mit Parteikarriere diskreditiert und blossgestellt werden, steigt auch der Bedarf an messianischen Persönlichkeiten, die Schar Glaubensunterworfener «clean hands»-Jünger ins gesunde Heiland zu führen.
In der Corona-Hierarchie käme der oberste Gesundheitshüter der Welt und aktuelle Präsident der WHO, Herr Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, in Betracht. Geschult in Biologie, im äthiopischen Asmara (heute Eritrea), einer in einem Atemzug mit Harvard und Oxford aufgezählten Eliteuniversität, konnte sich dieser nach einer erfolgreichen Karriere als Aussen- und Gesundheitsminister in einem der autoritärsten Staaten dieser Welt, dank der Unterstützung Robert Mugabes, an der Spitze der WHO positionieren. Die Afrikanische Union hatte unter dem korrupten Diktator Mugabe, einem brutalen Aushängeschild für die Missachtung von Demokratie und Menschenrechten, die Aufgabe, eine Persönlichkeit aus Afrika vorzuschlagen.
Es ist nebensächlich, dass im weltweiten Ranking der Universitäten Asmara gar nicht geführt wird, wie auch die Tatsache, dass der oberste Corona-Technokrat der WHO selbst von äthiopischen Parteien aufgrund seiner Karriere bei der ultralinken und brutalen Tigray People’s Liberation Front nicht für dieses Amt empfohlen wurde. Solange die vom albanischen Kommunismus inspirierte und geprägte äthiopische Kämpfertruppe nicht nur den Tod von Millionen von Zivilisten im äthiopischen Bürgerkrieg zu verantworten, sondern einen smarten Intellektuellen hervorgebracht hat, ist doch die Welt in Ordnung.
Zumindest muss man sich um die Berufsaussichten von Syriens Assad oder Kim keine Sorgen machen. Irgendein Amt auf der Weltbühne werden sie womöglich auch bekleiden können und dabei lächelnd manch einem vom Gönnertum ergriffenen Weltverbesserer wie Bill Gates die Hand schütteln.
Neuer Anführer der Hygiene- und Bescheidenheitsjünger
Mich überzeugt der Flashback, den man beim Nachhall der äthiopischen Durchhalteparolen zur Solidarität und Aufrechterhaltung der Quarantänemassnahmen aus dem Munde des ehemaligen linken Kampfgenossen erfährt. Es ist nicht allzu lange her, dass ein anderer äthiopischer Despot, Kaiser Haile Selassie, als Ikone der Rasta-Bewegung gefeiert wurde.
Als Prinz Ras Tafari geboren und zum Kaiser gekrönt, galt der Diktator für die Rasterzöpfe ausserhalb seines Landes als Symbol gegen den Materialismus und für Naturverbundenheit. Ihm selbst soll angeblich die Verehrung unangenehm gewesen sein. Die zum modischen Stil gewordenen Zöpfe könnten sich aufgrund der spirituellen Nähe zu der neuen, Materialismus und Konsum ablehnenden Gesellschaft zunehmender Beliebtheit erfreuen. Auch deshalb scheint die Wahl einer weiteren äthiopischen Persönlichkeit, diesmal eines Kampfbiologen, zum neuen Anführer der Hygiene- und Bescheidenheitsjünger geradezu opportun.
Da der Ausblick auf die Nach-Corona-Welt so wichtig ist, sollten wir auch die Risikokultur in unserer Gesellschaft nochmals überdenken. Risiken lassen sich anhand von Statistiken zwar erläutern, jedoch ist die gesellschaftliche Haltung dazu entscheidend. Offensichtlich war Ende des 19. Jh. die Gefahr, dass ein Salzstein – von einer Bussi angestossen – vom Ofen fällt und ein Neugeborenes tötet, so gross, dass der bekannte rumänische Schriftsteller Ion Creanga darüber eines seiner bekanntesten Märchen schrieb: «Die menschliche Dummheit».
Generationen nach ihm lachen noch heute über die folkloristische Abwägung von Gefahren, ohne zu merken, dass Creanga über sie heute vermutlich gleich wieder schreiben würde. Allerdings mit einem politisch korrekten Titel: «Der risikominimierende Zeitgeist im Corona-Zeitalter».