Jede zweite Gebärende erlebt Gewalt im Gebärsaal

Mütter sind während der Geburt den Hebammen und Ärzten schutzlos ausgeliefert. Fast jede zweite Frau erlebt dabei Gewalt. Darunter leidet Mutter und Kind.

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Gewalt im Gebärsaal: 10-50% der Frauen sind von körperlicher oder psychischer Gewalt vor und während der Geburt betroffen. Hebamme Nora de Staël leitet die Trageschule Schweiz und ist Gründungsmitglied von «Roses Revolution». Michèle Stratmann ist Geburtsbegleiterin. Und Christina Mundlos ist Soziologin und Autorin des Buches «Gewalt unter der Geburt» geschrieben. - Nau

Das Wichtigste in Kürze

  • Frauen werden im Gebärsaal ausgelacht oder körperlich gewaltsam behandelt.
  • Je nach Gewaltdefinition ist in der Schweiz jede zweite Frau betroffen, schätzen Experten.
  • Der Verein «Roses Revolution» möchte dieses Tabuthema an die Öffentlichkeit bringen.

Sie unterscheidet zwischen körperlicher und psychischer Gewalt. «Bei der körperlichen werden beispielsweise Saugglocken eingesetzt, ohne zu fragen oder unnötig viele schmerzhafte vaginale Untersuchen angeordnet. Psychisch leidet hingegen, wer im Gebärsaal ausgelacht wird oder von Ärzte oder Hebammen nicht ernst genommen wird.»

Ein Gebärsaal in einem Spital.
Ein Gebärsaal in einem Spital. - Keystone

Christina Mundlos ist aufgefallen, «Die Menge der Eingriffe von Kaiserschnitten und Dammschnitten in der Schweiz entspricht nicht den Vorgaben der WHO. Und ausserhalb von Kliniken werden wesentlich weniger solche Eingriffe durchgeführt.» Die Auswirkungen lassen sich nicht nur bei den Müttern – von Wundproblemen, Stillproblemen bis Depressionen – feststellen, sondern auch bei den Kindern. Etwa Schwierigkeiten beim Stillen oder Bindungsprobleme. Ausserdem wird das KiSS-Syndrom, ein Fehlstellung der Halswirbel, die zu übermässigem Schreien führt, auf Gewalt bei der Geburt zurückgeführt, sagt Mundlos.

Frauen spüren Folgen noch jahrzehntelang

«Zu mir kommen auch ältere Frauen, die plötzlich all den Schmerz loslassen wollen, den sie schon so lange mit sich herumtragen», erzählt Michèle Stratmann. Sie arbeitet als Doula, das ist eine Geburtsbegleiterin, die aber während der Geburt nicht eingreift. Sie betont, dass die Frauen danach häufig ganz allgemein in ihrem Selbstbewusstsein geschwächt seien.

Hebamme Nora de Staël (l.) und Geburtsbegleiterin Michèle Stratmann.
Hebamme Nora de Staël (l.) und Geburtsbegleiterin Michèle Stratmann. - Nau

Stratman erklärt: «Sie sind körperlich und psychisch verletzt, aber auch enttäuscht. Und weil das Umfeld erwartet, dass das Familienglück und die Harmonie gewahrt bleibt, fühlen sie sich oft auch nicht ernst genommen. Zudem fühlen sie sich dann schuldig.» Das findet Nora de Staël, Hebamme und Teil von «Roses Revolutions», besonders stossend: «Es wird als normal angeschaut, dass Grenzen überschritten werden. Und das ist wirklich traurig.»

«Je nachdem welche Art von Gewalt wir mitzählen, sind zwischen 10 und 50 Prozent der Frauen von Gewalt während der Geburt betroffen», erklärt Christina Mundlos. Die Soziologin für Geschlechter- und Mütterthemen hat ein Buch mit dem Titel «Gewalt unter der Geburt – der alltägliche Wahnsinn» geschrieben und damit einen wunden Punkt getroffen.

Frauen legen Rosen vor Spitäler nieder

Um auf das Thema Gewalt während der Geburt aufmerksam zu machen, haben Frauen zum ersten Mal vor einem Jahr Rosen vor Spitäler in der Schweiz hingelegt. Die «Roses Revolution» hat ihren Ursprung in Spanien, wo 2011 die spanische Feministin Jesusa Ricoy das Tabuthema ins Rollen brachte. Seit Kurzem gibt es auch in der Schweiz einen Ableger der Bewegung.

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