Beamte beginnen Arbeit schon im Zug: Und Private?
Nur wenige können die Pendlerzeit als Arbeitszeit nutzen. Bundesangestellte dürfen dies neu tun. Die rechtliche Situation ist im Prinzip klar.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesangestellte können ab 2020 bereits auf dem Weg ins Büro arbeiten.
- In der Privatwirtschaft steht diese Möglichkeit nur den wenigsten zur Verfügung.
- Die rechtliche Situation ist klar, lässt die konkrete Regelung jedoch flexibel.
Angestellte des Bundes können künftig bereits auf dem Weg ins Büro arbeiten. Die entsprechende Richtlinie wurde auf Druck der Gewerkschaft angepasst. Der Vorgesetzte muss das Einstempeln im Zug jeweils erlauben.
In der Privatwirtschaft können sich gemäss einer TCS-Studie von 2018 nur acht Prozent der Schweizer Angestellten die im Zug verrichtete Arbeit anrechnen lassen. Doch das Potenzial ist gross: Schweizer pendeln im Schnitt täglich gut eine Stunde zwischen Wohn- und Arbeitsort.
Durchschnittlich beträgt der Weg 15 Kilometer (ein Hinweg), vor 20 Jahren war diese Distanz noch 16 Prozent kürzer. Die Hälfte benutzt für das Pendeln das Auto, 17 Prozent den Zug, 14 Prozent den öffentlichen Strassenverkehr, 7 Prozent das Velo und 9 Prozent gehen zu Fuss.
Arbeitsweg gilt nicht als Arbeitszeit
Die rechtliche Situation ist indes glasklar: Gemäss Verordnung zum Arbeitsgesetz ist die Arbeitszeit diejenige Zeit, während der sich der Arbeitnehmer zur Verfügung des Arbeitgebers zu halten hat. Weiter steht in der Bestimmung, dass der Weg zur und von der Arbeit nicht als Arbeitszeit gelte.
«Der Arbeitsweg ist Sache des Arbeitnehmers», erklärt Fredy Greuter vom Schweizerischen Arbeitgeberverband. «Genauso wenig hat der Arbeitgeber beim Wohnort dreinzureden.»
Doch: «Wenn es das Aufgabenprofil und die Arbeitsorganisation zulassen, sind allerdings Lösungen zur Arbeit auf dem Arbeitsweg denkbar.» Etwa bei Kaderleuten, welche von unterwegs Mails bearbeiten, Dokumente studieren oder Telefone führen, erklärt Greuter.
Rechtlich geregelt sind nur wenige Ausnahmen. Etwa, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit ausserhalb des normalen Arbeitsortes zu leisten hat. Dann ist die Wegzeit als Arbeitszeit definiert und entsprechend entlohnt, allerdings nur die Differenz zur üblichen Wegzeit.
Unklarheiten vertraglich regeln
Das Obligationenrecht, die juristische Grundlage auch für Arbeitsverträge, gibt die Möglichkeit, die Begriffe «Arbeitszeit» und «Arbeitsort» – und damit die Entlohnung – genauer zu definieren. Artikel 319 besagt: «Durch den Einzelarbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers und dieser zur Entrichtung eines Lohnes [...].»
Roland Müller, Rechtsanwalt und Experte für Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen empfiehlt aufgrund der unklaren rechtlichen Vorgaben «möglichst genaue Regelungen zu Arbeitsort und Arbeitsweg im Einzelarbeitsvertrag oder noch besser in den allgemeinen Anstellungsbedingungen zu vereinbaren, um im Einzelfall Unklarheiten zu vermeiden».