Billigst-Plattform «Temu»: Bedenken von allen Seiten
Die Verkaufsplattform «Temu» wird in der Schweiz intensiv beworben. An Warnsignalen fehle es aber nicht, sagen NGO, Konsumentenschutz und Gewerbe.
Das Wichtigste in Kürze
- Verkaufsplattformen, die Billig-Ware aus China verkaufen, gibt es mittlerweile viele.
- Temu ist die neuste, die es jetzt auch als App gibt.
- Wegen der fragwürdigen Verkaufspraktiken werden jetzt Rufe nach Regulierung laut.
«Temu» hat die Schweiz im Sturm erobert. Werbung gezielt auf dem Smartphone, Platz eins in den App Stores, Medienberichte. Der chinesische Retailer hat «Shein», den Billig-Modeverkäufer, überholt.
Bei solch tiefen Preisen — Schuhe für unter drei Franken — kommen Bedenken auf: Auf Konsumierenden-, Gewerbe- und ethischer Seite.
Konsumentenschutz fordert bessere Regulation wegen Temu & Co.
Der Konsumentenschutz habe noch keine Empfehlungen bezüglich Temu, sagt Jean Buché, Verantwortlicher Wirtschaft beim Westschweizer Verband. Dies, weil noch keine Beschwerden eingetroffen seien, aber: «Die Fédération Romande des Consommateurs kämpft gegen Fast Fashion und den dadurch verursachten Überkonsum.»
Ständige Werbung führe oft zu impulsiven Käufen von solcher Fast Fashion, so Buché. Solche Manipulationen durch Onlineshops, wie auch ständige Ausverkäufe, würden auch «Dark Patterns» genannt: «Und der Mangel an Regulierung in der Schweiz ist schreiend», sagt er.
Es gibt auch andere Bedenken, etwa datentechnische: «Temu» sagt zwar, in Boston in den USA gegründet geworden zu sein. Tatsächlich gehört es aber einer Holding, die ihren Sitz in Shanghai, China, hat. Ein andere Online-Shop derselben Holding, «Pinduoduo», wurde aus dem Google Play Store verbannt.
Datenmissbrauch für Profit
«Pinduoduo» habe Malware beinhaltet, die es ermöglicht habe, Nutzerinnen und Nutzer auszuspionieren, berichtete «CNN». Gemäss Insider-Informationen soll Pinduoduo mit privaten Daten den Verkauf ankurbeln wollen. Es ist jedoch nicht erwiesen, dass der Shop Daten an die chinesische Regierung weitergegeben hat.
Der Konsumentenschutz unterstützt die EU-Regulierung, wonach jede grosse Online-Plattform mindestens eine juristische Vertretung in der Region haben muss. So könne man den Online-Riesen besser auf die Finger schauen, was in der Schweiz derzeit unmöglich sei, so Jean Buché. «In der Regel gibt es keine Möglichkeit, Unternehmen zu bestrafen, die sich nicht an die Regeln halten.»
Mehr Regulierung unterstützt auch die NGO Public Eye: Textilexperte David Hachfeld vom Verein fordert Transparenzregeln und die Einhaltung von Menschenrechts- sowie Umweltrichtlinien. Wichtige wäre auch ein Vernichtungsverbot von neuwertigen Produkten, etwa von retournierten oder nichtverkaufter Ware, sagt Hachfeld.
«Tumu, Shein & Co. forcieren eine Wegwerfmentalität bei Konsumgütern», so der Public-Eye-Mitarbeiter. «Notfalls landet es eben gleich wieder im Kübel, es hat ja eh fast nichts gekostet».
Lokales Gewerbe mache sich keine Sorge, dass Temu, Shein und ähnliche Retailer sie vertreiben könnten. Dagmar Jenni von der Swiss Retail Federation sagt: «Wer auf Qualität, Produktstandards und Kundenservice setzt, kauft nicht bei Temu ein.» Zudem werde sich zeigen, so Jenni, «ob die Schweizer Kundschaft die eher aggressive Art der Kundenwerbung goutiert».