Grosse Koalition einigt sich auf Details beim Urheberrecht
Die grosse Koalition hat sich bei der Reform des Urheberrechts auf Details verständigt.
Das Wichtigste in Kürze
- Gesetzesentwurf soll am Donnerstag im Bundestag beraten werden.
«Mit der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie geben wir dem Urheberrecht das Update für Internet und soziale Medien», sagte der digitalpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tankred Schipanski (CDU), dem «Handelsblatt» am Dienstag. Die Einigung schaffe «einen Interessenausgleich zwischen Kreativen, Nutzern und Rechteinhabern». Am Donnerstag soll der Gesetzesentwurf im Bundestag abschliessend beraten werden.
Die Koalitionsfraktionen einigten sich laut Schipanski auf eine Minderung des urheberrechtlichen Haftungsrisikos für Online-Plattformen. Internetriesen wie Google hatten darauf gedrängt, da sie sich andernfalls dazu gezwungen sähen, mehr Inhalte mittels Uploadfilter an der Veröffentlichung zu hindern als rechtlich notwendig. SPD und CDU einigten sich deshalb auf eine Regelung, wonach Plattformen nach einem ordnungsgemässen Beschwerdeverfahren nicht mehr schadensersatzpflichtig sind.
Die Koalition griff ausserdem den Hinweis des Bundesrats auf, dass Rechteinhaber bei einer Vielzahl von «mutmasslich erlaubten Nutzungen» nicht mehr hinterherkommen könnten, die Inhalte händisch zu prüfen, etwa bei Liveübertragungen. «Es bedarf nun keiner händischen Prüfung mehr, wenn ein Fussballbundesligaspiel auf Facebook hochgeladen werden soll», sagte Schipanski dem «Handelsblatt». «Rechteinhaber können bis zum Zeitpunkt der Ausstrahlung Copyright-Piraterie automatisch unterbinden».
Eine weitere Neuerung des Gesetzes sieht vor, dass Wissenschaftler von Upload-Plattformen Daten abfragen dürfen, um die Wirkung gesetzlicher Vorgaben mit Blick auf das Sperren oder Entfernen von Inhalten beurteilen zu können. Mit dieser Regelung geht die Koalition über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus.
Weiterhin Bestand hat eine umstrittene Regelung zur Nutzung von Memes und Gifs. Bis zu 15 Sekunden Film oder Ton, 160 Zeichen Text und 125 Kilobyte einer Foto- oder Grafikdatei gelten als Grenze einer geringfügigen Nutzung, die zu nicht-kommerziellen Zwecken erlaubt ist. Mit dieser Regelung würde «Rechtssicherheit in einen bisherigen Graubereich» gebracht, sagte Schipanski der Zeitung.
Die Neuregelung des Urheberrechts stösst auch auf Kritik. «Im Jahr 2021 ist es sehr schwierig, das Urheberrecht nicht zu brechen», sagte der Co-Vorsitzende des Zentrums für Digitalen Fortschritt (D64), Henning Tillmann, am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Das Problem sei die EU-Richtlinie an sich, deren Regelungen nicht der digitalen Lebensrealität des 21. Jahrhunderts entsprächen. Plattformen könnten der Regelung nur Rechnung tragen, indem sie alle Inhalte sperren, die potenziell gegen Urheberrecht verstossen
Der Versuch der Bundesregierung, durch Ausnahmen mehr Rechte für Nutzer zu ermöglichen, sei lediglich eine «Krücke, um untaugliche EU-Grundlage in nationales Recht zu überführen», kritisierte Tillmann. Profitieren würden am Ende weder Nutzer noch Künstler, sondern insbesondere die Verwertungsgesellschaften. Da die EU-Richtlinie bis Juni in nationales Recht umgesetzt werden muss, seien der Politik die Hände gebunden. Aber «vor der Reform ist nach der Reform», sagte Tillmann.