Kann man mit harter Arbeit wirklich reich werden?
Zahlt sich Einsatz im Beruf aus? Nein, sagt ein Historiker und Soziologe. Ein Wirtschaftsprofessor widerspricht ihm – und rechnet anhand eines Beispiels vor.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Frage, wie man reich wird, beschäftigt viele Menschen – auch Wissenschaftler.
- Der deutsche Autor Rainer Zitelmann sagt: Harte Arbeit bringt in dieser Hinsicht nichts.
- Der Schweizer Ökonom Reiner Eichenberger sieht das etwas anders.
Lohnt es sich finanziell, wenn man härter arbeitet als andere?
Dieser Frage ging kürzlich der deutsche Historiker und Soziologe Rainer Zitelmann in einem Gastbeitrag für «Focus» nach. Seine Antwort: Nein, man sollte von diesem «Angestelltendenken», wie er es nennt, wegkommen. Er sagt: Mit harter Arbeit wird man nicht reich.
Ein Spitzenmanager würde nämlich nicht an vielen Arbeitsstunden festhalten. «Er weiss, dass ihn niemand dafür bezahlt, wie sehr er sich anstrengt oder wie lange er arbeitet», führt er aus.
Zitelmann argumentiert unter anderem, dass beispielsweise Manager für ihre Ideen bezahlt werden. Nicht für die geleisteten Stunden Arbeit. Die Menschen sollten sich also darauf konzentrieren, «unternehmerisch zu denken», wenn sie reich werden wollen, so der Autor.
Wirtschaftsprofessor: «Es braucht nicht nur Ideen»
Wie plausibel ist diese Argumentation? Reiner Eichenberger, Wirtschaftsprofessor an der Universität Freiburg, ordnet die Äusserungen von Zitelmann gegenüber Nau.ch ein.
Zunächst hält er fest, dass vieles, was Zitelmann sagt, richtig sei. Eichenberger kritisiert jedoch vor allem zwei Aspekte am Text des Autors.
Einerseits sei die Sicht «abgehoben und elitär». Mit dem geforderten innovativen Denken könnten nur wenige, darin besonders Fähige, erfolgreich sein, so Eichenberger. Doch in allen Bereichen seien naturgemäss 50 Prozent der Menschen «unterdurchschnittlich».
Wenn alle nur cool denken würden, wie Zitelmann vorschlägt, gehe es schlicht nicht auf. «Es braucht nicht nur Ideen, man muss sie auch umsetzen», so Eichenberger. Dafür braucht es immer harte Arbeit – von Unternehmern und Mitarbeitenden. «Sonst scheitern die Innovationen.»
«Mit 60 Jahren Millionär»
Andererseits fehlt die Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen – laut Eichenberger der grösste Schwachpunkt von Zitelmanns Text. Eichenberger sagt: «Harte Arbeit lohnt sich mit Blick auf das Einkommen kurzfristig nur wenig. Aber mit Blick auf das Vermögen langfristig sehr stark.»
Der Wirtschaftsprofessor veranschaulicht dies an einem Zahlenbeispiel. Wenn man hart arbeite, könne man sein Jahreseinkommen vielleicht von 80'000 auf 100'000 Franken erhöhen. Das ist zwar nett – scheint aber zunächst keinen riesigen Unterschied zu machen.
«Wenn man aber die 20'000 Franken spart und anlegt, dann ist man mit 60 Jahren Millionär», so Eichenberger. So betrachtet könne man mit harter Arbeit letztlich trotzdem reich werden.
Der Experte betont, dass es dabei natürlich gewisse Voraussetzungen gebe, die erfüllt sein müssen: «Wichtig ist, dass man nicht einfach nur hart arbeitet und dabei leidet, sondern etwas arbeitet, das einem Freude macht.» Nur so könne man überhaupt über längere Zeit viel und hart arbeiten.
Das Haupthindernis seien derweil Abgaben, die man zahlen muss, so Eichenberger: «Auf das hart erarbeitete Zusatzeinkommen und die Zinseinnahmen zahlt man viel Steuern.»
Deshalb rät Eichenberger: «Reich wird, wer mit Freude viel arbeitet, das zusätzlich verdiente Geld nicht verkonsumiert und in Aktien anlegt.»