Mächtige Marktleader schaden den Schweizer Konsumenten

Michael Bolzli
Michael Bolzli

Zürich,

Den Lebensmittelmarkt beherrschen Coop und Migros, bei den Kiosken hat die Valora ein Monopol. Ein Wettbewerbs-Experte erklärt, was dies für Konsumenten heisst.

Coop Migros Coronavirus
Coop und Migros wollen mit verschärften Hygiene- und Schutzkonzepten die Lebensmittelversorgung der Schweiz sicherstellen. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz gibt es viele Märkte mit wenigen Playern.
  • Das führe zu höheren Preisen und weniger Innovation, sagt der Experte.

Geklappt hat es nicht, grünes Licht der Wettbewerbsbehörden gab es dennoch: Als 2019 die WEKO den Zusammenschluss von Sunrise und UPC durchgewunken hatte, läutete die Stiftung für Konsumentenschutz die Alarmglocken. Denn: «Es geht in grossen Schritten aufs Duopol zu.»

Auch ohne die Fusion ist der Schweizer Telekom-Markt überschaubar. Wer ein Mobilfunk-Abo will, kann eigentlich nur zwischen drei Anbietern wählen: Sunrise, Swisscom und Salt.

Salt Roaming
Salt zählt 1,36 Millionen Abokunden im Mobilfunk. (Symbolbild) - Keystone

Konzentration auch im Detailhandel. Zwar haben Aldi und Lidl den Lebensmittelmarkt etwas aufgemischt, die Platzhirsche bleiben aber Coop und Migros. Die Konzerne haben gemeinsam 70 Prozent Marktanteil.

XXXLutz macht sich breit

Auch im Möbelmarkt sind immer weniger Player tätig. Branchenprimus ist Ikea, Möbel Pfister die Nummer zwei. Doch das Schweizer Traditionshaus wurde letztes Jahr von XXXLutz geschluckt.

Der österreichische Konzern hat darauf noch Interio von der Migros übernommen. In Frankreich hat das Unternehmen zudem Conforama gekauft, Schweizer Filialen sind vorerst nicht betroffen.

Migros Vorrat Konserven
In der Schweiz sind Lebensmittel teurer als im Ausland. - Nau.ch

Was passiert, wenn wenige grosse Player sich den Markt aufteilen? Das weiss Patrick Krauskopf, Professor am Zentrum für Wettbewerbs- und Handelsrecht an der ZHAW.

Grundsätzlich gelte: «Je grösster die Auswahl, desto besser für den Konsumenten.» Eine Marktkonzentration – also wenig Anbieter – führe zu höheren Preisen, weniger Wettbewerb und Innovation.

«Wenig Innovation und Wettbewerb»

Eine solche Situation bestehe etwa im Telekom-Geschäft. «Drei Anbieter sind für einen wirksamen Preiswettbewerb zu wenig.»

Im Detailhandel sei Marktstruktur noch besorgniserregender, sagt Krauskopf. «Von den beiden Detailhandelsriesen gehen kaum noch Innovationen aus, von einem wirksamen Preiswettbewerb kann nicht die Rede sein.»

Patrick Krauskopf
Patrick Krauskopf ist Professor für Kartellrecht an der ZHAW. - zvg

Die deutschen Discounter hätten den Preiswettbewerb bei einem beschränkten Sortiment zwar angeheizt. Trotzdem: «Im europaweiten Vergleich ist der Wettbewerb erheblich weniger intensiv und die Preise höher.»

Dass es in der Schweiz in manchen Bereichen wenig Wettbewerb gibt, liegt auch an ihrer Grösse und den vier Sprachregionen. «Sobald man ressourcenintensive Branchen mit anspruchsvollen Vertriebsstrukturen hat, ist es aufgrund der Grösse der Schweizer Volkswirtschaft schwieriger, einen intensiven Wettbewerb zu haben.»

Kiosk
Es ist aufwendig, ein Kiosknetz zu betreiben. - Keystone

Als Beispiel nennt er die Kioske, welche von Valora betrieben werden. «Die Kosten, um ein effizientes Vertriebsnetz aufrechtzuerhalten, sind so hoch, dass dies praktisch nur ein Monopolist machen kann.»

Harter Wettbewerb drückt Löhne

In den USA wird für die Zersplitterung von Monopolen auch mit Löhnen der Angestellten argumentiert. Denn, wo es weniger Auswahl für die Arbeitnehmer gibt, ist der Wettbewerb um die besten Saläre wenig intensiv.

Krauskopf sieht dafür keine empirischen Belege. Er beobachtet hierzulande eher einen gegenteiligen Effekt: «In der Baubranche beispielsweise geraten die Löhne unter Druck, weil der Wettbewerb – auch aus dem Ausland – besonders intensiv ist.»

Vielerorts werden aktuell die Stimmen immer lauter, Tech-Giganten wie Google und Facebook aufzuspalten. Das seien oft politische Forderungen, kommentiert Krauskopf. Er ruft zu mehr Gelassenheit auf.

Facebook Zuckerberg
Viele US-Politiker halten Facebook-Chef Mark Zuckerberg für zu mächtig. - AFP

«Die Tech-Branche ist sehr dynamisch. Man hat zwar schnell eine Marktposition aufgebaut, diese kann man aber auch schnell wieder verlieren.» Die IT-Branche ziehe sehr viele Investoren an und dies generiere global einen beträchtlichen Wettbewerbsdruck.

«Die Frage nach einer Zersplitterung stellt sich erst dann, wenn die klassischen kartellrechtlichen Tools wirkungslos wären.» Und dies sei derzeit nicht der Fall.

Sorgen bereiten ihm eher die Zukäufe der Tech-Giganten. «Hier sehe ich Handlungsbedarf und wünsche mir mehr Mut seitens der Wettbewerbsbehörden.»

Kommentare

Weiterlesen

Sunrise UPC
8 Interaktionen
xxxlutz angestellte
16 Interaktionen
Milchkuh
139 Interaktionen

Mehr aus Stadt Zürich

schnee zürich
229 Interaktionen
wetter
158 Interaktionen