Mindeststeuer laut Experten keine gute Nachricht für die Schweiz
Der Entscheid der führenden Industrienationen (G7) für eine weltweite Mindeststeuer von 15 Prozent für Grosskonzerne ist nach Einschätzung von Ökonomen keine gute Nachricht für die Schweiz. Insbesondere gewisse Kantone würden unter Druck geraten.
Das Wichtigste in Kürze
- «Die Steueroasen - oft sehr kleine Staaten - werden leiden, aber das ist ja auch das Ziel», sagte ETH-Wirtschaftsprofessor Jan-Egbert Sturm im Interview mit der «SonntagsZeitung».
Diese Länder müssten sich etwas einfallen lassen, wie sie attraktiv bleiben könnten, auch mit höheren Steuersätzen. Auch die Schweiz werde mittelfristig nicht darum herumkommen, sich dem Entscheid zu fügen.
Der Ökonom erwartet in diesem Fall eine gewisse Steuerharmonisierung innerhalb der Schweiz. «Der kantonale Steuerwettbewerb wird kleiner.» Sturm erklärte, mobile Branchen könnten dabei eventuell abwandern, dazu gehöre etwa die Rohstoffbranche, die ihre Handelstätigkeiten faktisch von überall ausüben könne.
Er könne sich aber nicht vorstellen, dass es schlimme Konsequenzen haben werde, sagte Sturm. Für einen Unternehmer sei die Steuerlast nur ein Kriterium von vielen, die über Investitionen und einen Standort entscheiden würden.
Ökonomieprofessor Christoph Schaltegger der Universitäten Luzern und St. Gallen sieht ebenfalls «eine gewisse Gefährdung» für jene Kantone, die sich wettbewerbsfähig positioniert haben, insbesondere die Zentralschweizer Kantone. «Für diese würde sich Handlungsbedarf ergeben - sie müssten die Steuern erhöhen», sagte er in einem Interview der SRF-TV-Sendung «Tagesschau» vom Samstag.
Für gefährlicher hielt Schaltegger die Verlagerung der Steuerbefugnisse in die Marktländer. «Für ein Land mit einem kleinen Binnenmarkt und verhältnismässig wenig Konsumenten ist eine Verlagerung der Steuerbefugnisse von der Quelle zu den Konsumenten eine Gefährdung.»
Dass die Grosskonzerne auf längere Sicht unter dem Strich viel mehr Gewinnsteuern als heute abliefern werden, glaubte Schaltegger nicht. «Das ist wahrscheinlich am Ende einfach ein anderes Steuersystem, das wir haben werden, höhere gesetzliche Steuersätze, aber eine etwas löchrigere Basis als heute.» Der politische Druck werde dahin gehen, dass viele Firmen versuchen würden, von neuen Abschreibungsregeln oder neuen Sondertatbeständen zu profitieren.
Grosse Digitalkonzerne wie Apple oder Google sollen nach dem Willen der führenden Industrienationen künftig weltweit mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Nach jahrelangen Verhandlungen hatten sich die Finanzminister der G7-Staaten am Samstag in London auf eine globale Steuerreform geeinigt.
Neben der Mindeststeuer von 15 Prozent soll auch dafür gesorgt werden, dass Grosskonzerne künftig dort Steuern zahlen, wo sie ihre Umsätze machen, wie aus einer gemeinsamen Erklärung der G7 hervorgeht. Der Durchbruch gilt als wichtige Grundlage für eine weitere Einigung der G20-Staaten.
Ziel ist es, die multinationalen Konzerne stärker zur Kasse zu bitten. Bisher werden Unternehmensteuern nur am Firmensitz fällig, aber nicht in den Ländern, wo die Konzerne aktiv sind, was bei den Digitalunternehmen oft in fast der ganzen Welt der Fall ist. Das führte dazu, dass viele Unternehmen ihren Firmensitz in Länder mit niedrigeren Unternehmensteuern verlagerten.
Der Schweizer Finanzminister Ueli Maurer äusserte sich bislang nicht zum Entscheid der G7-Staaten vom Samstag. Im April hatte der Bundesrat dazu gesagt, er sehe keine grossen Nachteile für die Schweiz. Er gab zu bedenken, dass bei einem globalen Mindeststeuersatz die hohen Umweltabgaben der Unternehmen in der Schweiz berücksichtigt werden müssten.