Schweizer Pharmaexporte nach Grossbritannien markant zurückgegangen
Das Wichtigste in Kürze
- Die Exporte der Schweizer Pharmaindustrie ins Vereinigte Königreich haben sich 2018 im Vergleich zum Vorjahr wertmässig fast halbiert (-48,8%).
Dies zeigt eine Analyse der Schweizer Aussenhandelszahlen, die von der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) erhoben werden. Konkret ging der Export von pharmazeutischen Produkten nach Grossbritannien im Vergleich zu 2017 um 2,6 Milliarden Franken zurück.
Gleichzeitig wurden 2018 im Vergleich zum Vorjahr fast dreimal mehr Schweizer Pharmaprodukte nach Holland exportiert. Selbst wenn es zufällig sein mag, fällt doch auf, dass der Wertzuwachs der Exporte in die Niederlanden mit 2,6 Milliarden Franken fast identisch ist mit den Exportverlusten nach Grossbritannien.
Damit verschärft sich im Aussenhandel mit dem Vereinigten Königreich ein Abwärtstrend, der mit dem Brexit-Entscheid im März 2016 einsetzte. Während die Pharmaindustrie ihre Exporte weltweit seit 2015 um 23,1 Prozent steigern konnte, brach der Export nach Grossbritannien im selben Zeitraum um knapp die Hälfte ein.
Die Pharmaindustrie ist mit einem Exportanteil von knapp 45 Prozent der mit Abstand wichtigste Schweizer Handelstreiber. Der Einbruch der Exportzahlen dieser Branche tragen deshalb wesentlich dazu bei, dass die Schweizer Exporte nach Grossbritannien insgesamt um 29,9 Prozent gesunken sind.
Bei den Importen zeigt sich ein komplett anderes Bild. Hier stiegen die Importe der chemisch-pharmazeutischen Industrie aus Grossbritannien um 46,6 Prozent respektive 1,1 Milliarden Franken. Für den Zuwachs sind insbesondere die um 860 Millionen Franken gestiegenen Importe von organischen Roh- und Grundstoffen verantwortlich.
Dies führt dazu, dass die gesamten Importe aus Grossbritannien in die Schweiz 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 27,3 Prozent oder über 1,66 Milliarden Franken gestiegen sind.
Damit setzt sich bei den Importen ein Aufwärtstrend fort, der seit dem Brexit-Entscheid beobachtbar ist. So hat der Wert der importierten Pharmaprodukte 2018 im Vergleich zu 2015 bereit um 65 Prozent zugenommen.
Wie lassen sich die markanten Exportrückgänge nach Grossbritannien und die deutliche Zunahme der Exporte nach Holland erklären? «Es kann sein, dass die Unternehmen die vorhandenen Lagerkapazitäten in den Niederlanden nutzen, um die Insel von dort zu beliefern», sagt Marcel Sennhauser, der stellvertretende Direktor von Scienceindustries, dem Branchenverband der Chemie-, Pharma- und Biotechfirmen.
Mehr Importe aus Grossbritannien könnten hingegen darauf hinweisen, dass man die Lagerkapazitäten erhöhe, um für allfällige Lieferschwierigkeiten gerüstet zu sein. «Bestätigen können wir diese Thesen aber nicht», betont Sennhauser.
Die eklatante Zunahme der Exporte nach Holland sind auch René Buholzer, Geschäftsführer vom Verband Interpharma, nicht entgangen. Ob ein direkter Zusammenhang mit dem Exporteinbruch nach Grossbritannien bestehe, sei zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch unklar.
Die Zunahme der Importe von der Insel erklärt auch Buholzer damit, dass sich die Branche für mögliche Lieferengpässe im Zuge eines wahrscheinlich harten Austritts Grossbritanniens wappnen möchte. «Um die Produktion in der Schweiz nicht zu gefährden, decken sich Schweizer Produzenten mit Zulieferprodukten von der Insel ein», so Buholzer.
«Denselben Effekt dürfte man eigentlich auch für Unternehmen aus Grossbritannien erwarten, welcher sich in erhöhten Exportzahlen bemerkbar machen sollte. Offensichtlich wird dieser Effekt aber durch eine stärkere Entwicklung überdeckt, für welche wir bisher noch keine schlüssige Antwort gefunden haben.»
Die grössten Exporteure der Schweizer Pharmaindustrie sind Novartis und Roche. Bei Novartis haben sich laut Sprecher Satoshi Sugimoto die Exportzahlen nach Grossbritannien gegenüber der Vorjahresperiode jedoch nur geringfügig verändert, die Importe sind gar gesunken. «Ein Einfluss des Brexits ist bisher weder bei den Exporten noch bei den Importen sichtbar», so Sugimoto.
Auch bei Roche sind laut Sprecherin Ulrike Engels die Exporte nur relativ leicht zurückgegangen. Der Grund dafür sei, dass sich das Medikamentenportfolio in Grossbritannien «in einem Wandel» befinde. «Einen Zusammenhang mit dem Brexit gibt es nicht», so Engels.
Die Schweizer Regierung ist bemüht, die negativen Konsequenzen des Brexits möglichst klein zu halten. Deshalb wurde im Rahmen der «Mind-the-Gap-Strategie» am 11. Februar 2019 mit Grossbritannien ein Handelsabkommen abgeschlossen, dass eine Basis für die Fortführung der Handelsbeziehungen zwischen den beiden Partnern nach dem EU-Austritt der Briten schaffen soll. Mit dem Abkommen sollen auch allfällige negativen Konsequenzen für die chemisch-pharmazeutische Industrie abgefedert werden.