Trotz Befreiung der «Ever Given» drohen Lieferengpässe
Nach fast einer Woche ist das Containerschiff «Ever Given» wieder in tiefem Fahrwasser. Lieferengpässe und Preisansteige drohen dennoch.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach fast einer Woche blockiert «Ever Given» nicht mehr den Suezkanal.
- Rund 400 Schiffe warten aktuell. Das dürfte europäische Häfen überfordern.
- Auch drohen Lieferengpässe und Preisansteige.
Die gute Nachricht kam heute Morgen: «Ever Given» befindet sich wieder in tiefem Fahrwasser. Seit heute Nachmittag fährt das Containerschiff wieder.
Rund 400 Schiffe warten vor dem Suezkanal auf die Durchfahrt. Bis alle Schiffe den Kanal durchquert haben, dürften aber bis acht Tage vergehen.
Thomas Schwarzenbach, Direktor des Logistikverbands Spedlogswiss, sieht dabei mehrere Probleme: Einerseits entstehen durch die Verzögerung erhebliche Mehrkosten. «Diese dürften sich auf die Transportkosten und damit auch auf die Verkaufspreise der transportieren Güter auf diesen Schiffen auswirken.»
Lieferverzögerung bei vielen Produkten
Andererseits geht er davon aus, dass es bei den Empfangshäfen in Europa zu Verzögerungen kommen werde. «Da diese nicht in der Lage sein werden, die grosse Anzahl an Schiffen, die geballt eintreffen wird, in Normalzeit abzufertigen.»
Das hat Einfluss auf die Schweizer Wirtschaft, sagt UBS-Chefökonom Daniel Kalt. «Es dürfte zu Lieferverzögerungen bei unterschiedlichsten Güterkategorien kommen.» Betroffen sei eine breite Fläche von Produkten: von Spielzeugen über Bekleidung, Lebensmitteln bis hin zu elektronischen Komponenten.
Kalt geht allerdings nicht davon aus, dass der Zwischenfall einen signifikanten Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Schweiz haben wird.
Wichtiger Handelsweg zwischen Europa und Asien
Der Suezkanal ist einer der wichtigsten Handelswege für den Güterverkehr zwischen Asien, Europa und den USA. Rund zwölf Prozent des globalen Handels fliesst durch den Kanal. Letztes Jahr haben 19'000 Schiffe den Handelsweg passiert – die meisten davon Frachtschiffe.
Ein Viertel der transportieren Ware sind Öl-Produkte. Doch: «Der Unfall hat auf die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Mineralölprodukten keinen unmittelbaren Einfluss», sagt Daniel Schindler, Sprecher von Avenergy Suisse. Öl wird über mehrere Wege importiert: neben dem Wasser auch via Pipeline, Tanklastwagen und die Schiene.
«Sollte die Versorgungslage trotz alledem doch eng werden, so verfügt die Schweiz immer noch über ihre Pflichtlager», so Schindler. Bei Benzin, Diesel und Heizöl reichen die Vorräte für mindestens viereinhalb Monate.
Einen Preisanstieg an der Zapfsäule will Schindler zwar nicht ausschliessen. Generell seien Tankstellenpreise vom Rohölpreis weniger stark abhängig, als man meinen könne. «Viel entscheidender sind die Mineralölsteuer und der Mineralölsteuerzuschlag sowie die Importabgaben.»