Arbeitsfähigkeit: Training verkleinert Unterschiede bei Gutachten

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Arbeitsfähigkeit: Training verkleinert Unterschiede bei Gutachten
Arbeitsfähigkeit: Training verkleinert Unterschiede bei Gutachten - Universität Basel

Psychiaterinnen und Psychiater beurteilen für die Sozialversicherungen, wie viel jemand mit mentalen Problemen noch arbeiten kann. Die Gutachten zur Arbeitsfähigkeit fallen allerdings viel zu unterschiedlich aus. Dank einem neuen Training konnten nun die Einschätzungen einander angenähert werden. Das belegt eine Studie, die von Forschenden von der Universität Basel und dem Universitätsspital Basel durchgeführt und vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wurde.

Wer aus psychischen Gründen nicht mehr voll arbeiten kann, hat Anspruch auf eine Rente. Wie hoch diese ausfällt, hängt davon ab, wie hoch Psychiaterinnen und Psychiater die Arbeitsfähigkeit einschätzen. Idealerweise würden Gutachten in ähnlichen Fällen entsprechend ähnliche Arbeitspensen empfehlen, was bei Weitem nicht der Fall ist. Manchmal liegen die Einschätzungen sogar hundert Prozent auseinander. Für Anwältinnen, Richter, Versicherungen und die Gutachterinnen ist dies eine unbefriedigende Situation.

Mit einer neuen Form der Beurteilung, der sogenannten funktionsorientierten Begutachtung, und speziellen Schulungen für Psychiater konnten Forschende einheitlichere Einschätzungen der verbliebenen Arbeitsfähigkeit erreichen. In der von Universität Basel und Universitätsspital Basel durchgeführten Studie nahm die statistische Streuung der Beurteilungen um mehr als einen Fünftel ab. Die Fachleute in der Praxis wünschen sich allerdings deutlich tiefere Abweichungen. Hingegen beurteilten sowohl die Antragsstellenden als auch die Gutachter den neuen Prozess als fair und transparent. «Das ist wichtig, denn die Gutachten entscheiden über das Schicksal einzelner Personen», sagt die Studienleiterin Prof. Dr. Regina Kunz von Universität und Universitätsspital Basel. Die Studie wurde in BMC Psychiatry publiziert.

Konkret über die Arbeit sprechen

Im neuen funktionsorientierten Begutachtungsprozess stellten Psychiater von Beginn des Begutachtungsgesprächs die Arbeit anstatt die Krankheit ins Zentrum des Gesprächs. Sie fragten beispielsweise, welche Tätigkeiten die letzte Stelle der Antragsstellenden beinhaltete, welche noch möglich sind und was Abhilfe schaffen würde – ein lösungsorientierter Ansatz. Zum Schluss mussten die Gutachter noch 13 arbeitsbezogene Fähigkeiten einstufen, die bei Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig eingeschränkt sind. Darauf begründet schätzten sie dann das mögliche Arbeitspensum ein.

Für die Studie wurden die Gutachten von 35 Psychiatern miteinander verglichen. Diese beurteilten die Arbeitsfähigkeit von 40 Antragsstellenden. Die Gespräche wurden auf Video aufgenommen und von jeweils drei weiteren Gutachtern unabhängig beurteilt. Damit lagen zum Schluss pro Antragsstellenden vier unterschiedliche Beurteilungen vor. Die Differenzen dieser Gutachten wurden mit den Differenzen aus einer früheren Beurteilungsrunde verglichen, bei denen die Psychiater ein deutlich kürzeres Training erhielten, das zudem beim Zeitpunkt des Gutachtens über ein Jahr zurücklag. Darin beurteilten 19 Gutachter die Arbeitsfähigkeit von 30 Antragsstellenden.

Zu hohe Erwartungen?

Es wurde gezählt, wie oft sich zwei Gutachten um höchstens 25 Prozentpunkte in ihrer Einschätzung der Arbeitsfähigkeit unterschieden: In der Kontrollgruppe lagen 39 Prozent der Vergleiche zwischen zwei Gutachtern über diesem Schwellenwert. Durch das Training konnte der Anteil auf 26 Prozent gesenkt werden. Ein statistisch signifikanter Effekt.

Um zu klären, wie gross die Abweichungen zwischen zwei Gutachten bei derselben Person in der Praxis maximal sein sollten, machten die Forschenden zuvor eine Umfrage bei über 700 Fachleuten in der Schweiz: Gutachter, Vertreterinnen der Sozialversicherungen, Anwälte und Richterinnen. Dabei wurde eine Differenz von höchstens 25 Prozentpunkten als gerade noch akzeptabel für faire Verfahren betrachtet. «Wir haben natürlich nie gedacht, dass unser Ansatz alle Probleme lösen wird», sagt Studienleiterin Kunz. «Trotzdem sind wir natürlich enttäuscht, dass die Beurteilungen nicht noch einheitlicher ausgefallen sind.»

Dennoch zieht Kunz eine positive Bilanz: «Die Antragstellenden und Gutachter waren zufrieden mit dem neuen Prozess, weil damit die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Gutachten für die Versicherungen und die Gerichte klar verbessert werden könnte.» In einer weiteren Studie möchten sie und ihre Kollegen testen, ob ein noch intensiveres Training der Psychiater weitere Verbesserungen bringt.

Die Studie wurde finanziell unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der SUVA.

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