Die Basler Virensammlung ist für die weltweite Forschung wichtig
Forschende am Biozentrum der Universität Basel haben eine bedeutende Phagen-Sammlung erstellt. Fachleute aus aller Welt können sie zu Forschungszwecken nutzen.
Die Anzahl und Vielfalt von Viren auf unserem Planeten sind schier unvorstellbar. Auf jedes Sandkorn kommen schätzungsweise eine Billion Viruspartikel. Viele warten noch auf ihre Entdeckung. Der Grossteil der Viren befallen und zerstören ausschliesslich Bakterien.
Ihr Entdecker, der französische Forscher Félix d’Hérelle, nannte sie daher auch Bakteriophagen, auf Deutsch Bakterienfresser. Diese Phagen beeinflussen ganze Ökosysteme vom Ozean bis zur Darmflora des Menschen. In der Medizin erleben sie gerade eine Renaissance, als Alternative zu Antibiotikatherapien.
In der vorliegenden Studie, die kürzlich in «Plos Biology» erschien, hat das Team von Dr. Alexander Harms, Ambizione-Fellow am Biozentrum der Universität Basel, zusammen mit Maturandinnen und Maturanden, die unter anderem im Rahmen der «Basel Summer Science Academy» am Biozentrum forschten, eine Vielzahl neuer Bakteriophagen aus dem Rhein sowie Gartenteichen, Böden, Kompost- und Kläranlagen rund um Basel isoliert und ihre Eigenschaften bestimmt.
«Wir haben eine weltweit einmalige Sammlung mit 70 Phagenarten angelegt, auf die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nun für ihre Arbeit zurückgreifen können», sagt Harms. «Unsere Kollektion gibt umfassend Auskunft über die Diversität von Phagen und liefert gleichzeitig grundlegendes Wissen für die Entwicklung von Phagentherapien.
Es sollten neue Phagen in der Natur aufgespürt werden
Die ursprüngliche Idee war es, Phagen zu erforschen, die «schlafende» Bakterien angreifen. Solche Bakterien sind problematisch, denn bei ihnen sind Antibiotika wirkungslos und sie verursachen chronische Infektionen wie Harnwegs- oder Lungenentzündungen.
«Bereits bekannte Phagen waren aber machtlos gegen diese ‹schlafenden› Bakterien. Deshalb haben wir angefangen, selbst neue Phagen zu isolieren, die unseren Modellorganismus, das Darmbakterium Escherichia coli befallen», so Harms. «Gemeinsam mit den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten haben wir in Basel und Umgebung viele neue Phagenarten gefunden.»
Es wurden umfangreiche und systematische Analyse der Phagen durchgeführt
Anschliessend untersuchten die Forschenden die unbekannten Phagen systematisch. Sie entschlüsselten das komplette Genom, machten elektronenmikroskopische Aufnahmen und bestimmten Merkmale wie das Bakterienspektrum oder welche Oberflächenmoleküle die Phagen als Eintrittspforte nutzen.
Auch die Empfindlichkeit bzw. Resistenz gegenüber bakteriellen Abwehrsystemen wie den Restriktionsenzymen, für deren Entdeckung Werner Arber 1978 den Nobelpreis erhielt, war Gegenstand ihrer Untersuchungen.
Die umfangreichen Genomdaten mit den dazugehörigen biologischen Informationen machen die Phagen-Sammlung so wertvoll. Sie sind der Schlüssel, um die Eigenschaften neu isolierter Phagen vorherzusagen und beispielsweise zu ermitteln, ob sie spezifisch nur einen Bakterienstamm oder unterschiedliche Arten infizieren.
«Die meisten unserer Phagen haben ein sehr enges Wirtsspektrum, sie greifen also nur ganz spezifisch einen Bakterienstamm an», erklärt Harms. «Wir fanden aber auch einzelne Gruppen von Phagen, die an ein Oberflächenmolekül binden, das evolutionär konserviert ist und sowohl bei verschiedenen E. coli-Stämmen als auch bei Salmonellen vorkommt.»
Sie wirken ähnlich wie ein Breitbandantibiotikum und greifen unterschiedliche Bakterienarten an. Solche Kenntnisse über die Viren sind wichtig, um Therapien mit synthetischen Phagen zu entwickeln.
Die Phagen-Sammlung ist auch für Forschungszwecke enorm wichtig
«Unsere Basler Phagen-Sammlung bestätigt, dass weltweit ähnliche Phagen-Gruppen dieselben ökologischen Nischen besetzen, sei es in China, den USA oder Südamerika. Das hat mich wirklich überrascht», sagt Harms.
«Unsere Phagen dienen als Referenz und als flexibles Werkzeug für weitere Studien auf diesem Gebiet. Ich erhalte schon jetzt viele Anfragen aus aller Welt.»
Mit ihrer breitgefächerten Phagen-Sammlung möchten die Wissenschaftler nun ihre ursprüngliche Fragestellung weiter verfolgen: Ob und wie Phagen antibiotikatolerante Bakterien im Tiefschlaf ausschalten können.
Und wenn es Covid-19 erlaubt, wird es im nächsten Jahr auch wieder eine «Summer Science Academy» für Schüler und Schülerinnen aus der Region Basel geben.