Thomi Jourdan: Das sagt Baselbieter EVP-Regierungsrat über die SVP
Der neue Baselbieter EVP-Regierungsrat Thomi Jourdan im Interview über die SVP, seine Socials und die Position links oder rechts der Mitte.
Das Wichtigste in Kürze
- Der neue Regierungsrat Jourdan äussert sich im Interview zu seiner neuen Aufgabe.
- Jourdan betont dabei die Bedeutung der richtigen Personen in der Regierung.
- Der EVP-Mann möchte langfristig arbeiten und Projekte nicht nur in Wahlzyklen denken.
Herr Jourdan, wie weit planen Sie, bis 2027 oder länger?
Thomi Jourdan: In vier Jahren wird erneut entschieden. Ich hoffe natürlich, dass mir die Bevölkerung auch dann nochmals ihr Vertrauen ausspricht, und zwar auf der Grundlage, dass ich diesen Job bis dahin mit Leidenschaft und hoffentlich aus Sicht der Bevölkerung gut machen werde. In der Politik muss man einen langfristigen Fokus haben und für die nächste Generation arbeiten. Als Gemeinderat von Muttenz konnte ich zum Ende meiner Amtszeit noch drei grosse Geschäfte über die Ziellinie bringen, die mich jeweils zwischen 10 und 15 Jahren beschäftigt haben, Stichworte Mittenza, Schänzli und Windrad. Wenn Themen schon in der kommunalen Politik eine Dekade oder mehr beanspruchen, dann brauchen grosse Projekte diese Zeit auf kantonaler Ebene wohl erst recht.
Sie wollen anderthalb Dekaden bleiben? Nach acht Jahren sollte man den Platz doch neuen Kräften überlassen.
Ich lasse das ja offen. Es ist einfach wichtig, sich bewusst zu sein, dass gewisse politische Projekte nicht in vier Jahren umgesetzt werden.
Das mag sein. Ihre Wahl war jedoch eine Sensation. Das müssen Sie in vier Jahren zuerst wiederholen können. Und die SVP will unbedingt zurück in die Regierung.
Natürlich. Nichtsdestotrotz war ich auch in Muttenz über 15 Jahre der erste und einzige EVP-Gemeinderat, und es gab ebenfalls Phasen, in der nicht alle Parteien im Gemeinderat vertreten waren. Dennoch wurde ich wiedergewählt. Eine Exekutive wie der Regierungsrat ist ein Persönlichkeits-Gremium, es braucht die fünf richtigen Leute. Ich glaube, das sieht die Bevölkerung auch in vier Jahren noch so. Wenn die SVP die richtige Persönlichkeit bringt, wird sie möglicherweise auch zurück in die Regierung kommen.
Wie haben Sie vor, die Menschen zu überzeugen?
Ich habe nie Wahlzyklus-Politik betrieben, weil ich überzeugt bin, dass der Fokus in der Politik auf den Aufgaben und nicht auf der Wiederwahl liegen soll. Und ich will daran glauben, dass die Menschen das merken und einem das Vertrauen nochmals schenken. Mir ging es nie um eine Polit-Karriere, und das wird es auch in Zukunft nie. Es ist eine wahnsinnige Ehre und Herausforderung, aber ich mache daraus nicht eine Karriere-Geschichte.
Aber Sie hatten Ihre Stelle schon gekündigt, als Sie Ihre Kandidatur bekannt machten. Sie waren voll auf die politische Karriere aus.
Nein, und auch wenn jetzt viel Pathos mitschwingt: Das hat damit zu tun, dass ich einfach sehr viel Vertrauen ins Leben habe. Ich sagte mir: Wenn es nicht das ist, dann kommt etwas anderes. Ich wusste, es wird so oder so gut. Übrigens war es meine Frau, die mir den Schritt, frühzeitig zu kündigen, nahe legte. Weil sie fand, dass wenn ich von meinen Mitarbeitenden viel Leidenschaft verlange, ich schlecht hinstehen könne und sagen: Wenn ich nicht gewählt werde, dann bleibe ich eben hier. Das geht nicht, das wäre nicht glaubwürdig. Aber es ist auch so, dass ich mir ohnehin überlegt habe, mit 50 etwas Neues anpacken zu wollen.
Als wählerstärkste Partei gehört die SVP in die Regierung. Oder sehen Sie das anders?
Da hören Sie von mir kein Statement. Es gehören einfach die fünf richtigen Leute in die Regierung. Das Volk hat gewählt, und das ist gut so. Auch ist für die EVP daraus kein andauernder Regierungsanspruch erwachsen.
Das heisst: Die politischen Kräfte müssen in der Regierung nicht angemessen vertreten sein?
Es ist ja interessant: Während des Wahlkampfes war plötzlich von einer Baselbieter Zauberformel die Rede, von deren Existenz zuvor niemand wusste. Tatsache ist: Ist die Exekutive gewählt, sagen alle, es komme in der Regierungsarbeit nicht auf die Partei an. Das habe ich im Gemeinderat selbst so erlebt – die Parteipolitik drückt selten durch. Es geht um Aufgaben, die man als Team zu lösen hat, und zwar im Sinne einer grossen Mehrheit der Bevölkerung. Inklusive jener Menschen, die zum Beispiel SVP gewählt haben.
Aber die SVP in der Opposition, das wird ungemütlich, und Sie müssen sich auch auf parteipolitische oder persönliche Angriffe einstellen.
Ich bin Mitte-Politiker, der Widerstand kann also genauso gut von linker Seite kommen. Aber ich gehe davon aus, dass man am Ende das Ergebnis beurteilt und nicht nur auf die Person zielt. Ich will daran glauben, dass ein anständiger Umgang und ein Grundrespekt möglich sind.
Hat die SVP Ihnen gegenüber bereits Forderungen gestellt?
Nein. Aber ich habe mich mit verschiedenen Fraktionspräsidenten getroffen, einfach, um uns kennenzulernen.
Wo werden wir die neuen Mehrheitsverhältnisse in der Regierung spüren?
Haben wir neue Mehrheitsverhältnisse?
Ja. Oder sind Sie doch kein Mitte-Politiker, sondern ein Bürgerlicher?
Finanzpolitisch schon, dazu stehe ich. Was wir ausgeben wollen, müssen wir zuerst einmal eingenommen haben. Das Prinzip gilt für Unternehmen wie für das Gemeinwesen. Klar kann es Gründe für antizyklisches Verhalten geben, aber ich stehe für eine strukturelle finanzpolitische Stabilität. Zurück zur Frage: Ich habe die letzten zehn Jahre eine gute Regierung beobachtet. Aber ich kann nicht sagen, ob sie eine bürgerliche oder linke Politik betrieben hat: Sie war erfolgreich und das ist das Wichtigste. Der Kanton hat bewiesen, die gesellschaftlichen Trends zu erkennen und darauf zu reagieren.
Gäbe es die EVP nicht, in welcher Partei wären Sie dann?
Wer nach Muttenz blickte, hat erkannt, dass da einer mit ziemlich viel Leidenschaft unterwegs und ein Stehaufmännchen ist. Es ist okay, wenn man mich parteipolitisch nicht in eine Schublade stecken kann. In welcher Partei wäre ich? – Diese Frage hat sich nie gestellt. Ich möchte als Person etwas bewirken.
Wir fragen anders: Können Sie sich vorstellen, parteilos zu sein?
Das wäre etwas einsam. Nein. Ich fühle mich wohl in der EVP und habe dort tolle Menschen um mich herum. Ich wäre damals nicht in den Landrat nachgerückt, wäre ich nicht in der EVP gewesen. Ein Wechsel kam nie infrage.
Und Sie teilen die Werte?
Absolut.
Woran werden wir diese Werte und den Menschen Thomi Jourdan erkennen?
Was die Aufgaben als Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion angeht, mache ich heute keine inhaltlichen Aussagen. Aber ich bin ein sehr dankbarer Mensch. Gemäss Wikipedia bin ich der 95. Regierungsrat in unserem Kanton – das ist für mich eine grosse Ehre! Man tut aber gut daran, Ehre nicht für sich in Anspruch zu nehmen, sondern den Fokus auf die wirkliche Aufgabe zu legen: den Menschen – und ich will dieses Wort ganz bewusst gebrauchen – zu dienen. Mir ist bewusst, es geht um harte Politik, und das wird sicher auch immer wieder mal anstrengend. Aber ich wünsche mir, dass man eines Tages von mir sagt, ich hätte mein Bestes gegeben, damit der Kanton vorwärts kommt und es den Menschen gut geht. Wenn es einem so gut geht im Leben wie mir, man so viel letztlich unverdientes Glück hat , dann ist das einfach eine Verpflichtung. Das meine ich aus tiefstem Innern, und ich hoffe, dass man das spürt.
Das tönt sehr nach EVP.
Ja. Und es ist das, was mich umtreibt. Ich gebe auch meinen Kindern mit, wie gut es uns geht und dass damit eine Verpflichtung einhergeht.
Nach dem Pathos wieder zum Konkreten: Im Wahlkampf hat Kandidat Thomi Jourdan jeden Schritt dokumentiert. Werden wir nun auch einen gläsernen Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektor erleben?
Ich habe mir einige Gedanken gemacht zu diesem Thema. Natürlich ist meine Rolle als Regierungsrat nicht mehr dieselbe wie jene als Kandidat. Im Zentrum steht die erfolgreiche Bewältigung der kommenden Aufgaben und dazu braucht es einen starken Einbezug der Bevölkerung, der Gemeinden und des Parlaments. Daher möchte ich gemeinsam mit meiner Direktion auch herausfinden, wie wir die Kommunikation in Zukunft gestalten. Da spielen die sozialen Medien vielleicht schon eine Rolle. Ich werde auch als Regierungsrat der sein, der ich bin, und dabei zwangsläufig vielleicht auch einmal überraschend.
Hat Ihr Vorgänger Thomas Weber das zu wenig gemacht?
Nein. Ich staune, wie Thomas Weber zum Beispiel seine Website pflegt und aktualisiert. Ich finde nicht grundsätzlich, dass es ein Zuwenig oder Zuviel gäbe. Ich finde, Thomas Weber hat sehr authentisch und erkennbar kommuniziert.
Was nehmen Sie aus dem Wahlkampf mit für Ihr Amt?
Man muss alles geben und ein bisschen mehr. All-in gehen. Aber man muss die unglaubliche Pace von Thomas Weber während Corona auch erst einmal nachmachen.
Gutes Stichwort. Thomas Weber hat während Corona auch frei von eigenen Befindlichkeiten gehandelt und eine Impfkampagne initiiert, obwohl es in seinem Umfeld Impf-Komplikationen gab. Können Sie das auch?
Das macht einen Staatsmann aus. Ich persönlich war in Muttenz auch nicht immer der Mehrheitsmeinung, aber ich kann das. In einer Exekutive gibt es nichts Grösseres als das Kollegialitätsprinzip. Man darf aber auch einmal spüren, wenn es eine persönliche Seite gibt. Man hat gemerkt, dass Thomas Weber mit diesem Weg ringt.
Bei Corona zeigten sich auch die unterschiedlichen Denkweisen in beiden Basel deutlich. Wie gehen Sie auf Basel-Stadt zu?
Ich bin vom Baselbiet gewählt und empfange Aufträge vom Baselbieter Parlament. Und es kommen die besseren Ergebnisse zustande, wenn zwei selbstbewusste Partner aufeinandertreffen, als wenn es eine Asymmetrie gibt. Das Verhältnis zwischen den beiden Kantonen hat sich in den vergangenen zehn Jahren entspannt. Das hat wohl auch damit zu tun, dass das Baselbiet stärker aufgetreten ist. Gerade Thomas Weber hat bewiesen, dass es möglich ist, gute partnerschaftliche Arbeit zu leisten. Und er hat die Abstimmung zur Spitalfusion in seinem Kanton gewonnen.
Was packen Sie nun als erstes an?
Am Sonntag zügle ich meine Sachen ins Büro, die Schachteln stehen schon bereit.
Was liegt dort zuoberst drin?
Am Schluss wird eine Geiss aus Ton von der Muttenzer Künstlerin Ruth Auer in die Schachtel kommen, die mir die Gemeindekommission geschenkt hat. Ich habe ja selber Zwergziegen. Das Geschenk hat mich persönlich berührt, schliesslich haben wir leidenschaftlich gefightet. Eine Geiss ist ja schon ein cooles Tier: Es ist kraftvoll, es weiss, was es will, und es ist unglaublich neugierig.
... und manchmal auch etwas stur.
... ja, aber eigentlich total liebevoll.
Zu den Autoren: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal OnlineReports.ch publiziert. Per 1. Juli haben Alessandra Paone und Jan Amsler übernommen.