Berner Asylwesen droht bald zu kollabieren
Derzeit kommen monatlich 50 jugendliche Flüchtlinge aus Afghanistan in den Kanton Bern. Den oft traumatisierten Menschen fehlt oft Betreuung. Ein Kollaps droht.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Kanton Bern erhalten jugendliche Flüchtlinge kaum genügend psychologische Hilfe.
- Die Betreuungsplätze sind seit der Corona-Pandemie am Anschlag.
- Das System könnte im Sommer 2023 kollabieren, warnt der Präsident der KESB Emmental.
Mit 180 sind im Emmental im Kanton Bern vergleichsweise viele unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) untergebracht. Momentan stossen monatlich 50 neue dazu, die meisten von ihnen stammen aus Afghanistan.
Der Zuwachs an UMA bringt die zuständigen Stellen mehr und mehr unter Druck. «Die Situation ist momentan sehr schwierig», beschreibt Silvio Imhof, Präsident der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Emmental, gegenüber SRF.
Der Grund: Viele UMA haben von Erfahrungen in ihrem Heimatland oder dem Weg in die Schweiz mit psychischen Problemen zu kämpfen. Doch einen Platz zur Betreuung gibt es kaum noch.
«Die Jugendlichen sind auf den Fluchtwegen Übergriffen schutzlos ausgeliefert», erklärt Imhof. Sie hätten «teilweise Backflashs» und «werden zurückversetzt in dramatische Situationen, in denen es ums Überleben ging».
Nur noch Notversorgung und lange Wartezeiten
Weil die Erlebnisse Angst und Panik hinterlassen, benötigen nicht wenige eine intensivere Betreuung. Doch: Diese ist momentan kaum möglich.
Das psychiatrische Versorgungssystem ist wegen der Corona-Pandemie seit Monaten am Anschlag. Die Universitären Psychiatrischen Dienste des Kantons Bern teilten zuletzt mit, man könne fast nur noch Notversorgung leisten.
Wer aber eine längere Therapie benötigt, muss zuerst auf eine Warteliste. Die Wartezeit kann dort aber bis zu einem Jahr betragen – zu lange. Denn der Mangel an Betreuung zeigt sich am Verhalten der betroffenen Asylsuchenden.
«Es kommt zu einer Selbst- und Fremdgefährdung», schildert Silvio Imhof – zu Gewalt in den Unterkünften.
Weil die längere Betreuung aber nicht möglich ist, gehen die Flüchtlinge nach kurzer Krisenintervention wieder in ihre Unterkunft zurück. Bei Gastfamilien, in einem Wohnheim oder in der Kollektivunterkunft sollen sie dann bestmöglich abgeschirmt werden.
Kollaps im Betreuungssystem nächsten Sommer?
Bei Imhof löst die derzeitige Situation «eine gewisse Ohnmacht» aus. Das Betreuungssystem könnte schon im nächsten Sommer kollabieren, fürchtet der Präsident der KESB Emmental. Das wäre aus seiner Sicht der Fall, wenn der Kanton Bern monatlich weiterhin 50 neue UMA empfängt.
Je mehr junge Flüchtlinge kommen, desto mehr braucht es Plätze für psychiatrische Betreuung. Die Berner Integrationsdirektion rechnet mit rund fünf Prozent der UMA, die spezifisch betreut werden müssten. Monatlich bedeutet das also zwei bis drei Personen mehr, die auf das jetzt schon überlastete Betreuungssystem angewiesen sind.
Die Betreuungsstellen benötigen aber wiederum mehr Plätze – und Personal. Derzeit versuche man laut Imhof, das Maximum aus dem zu holen, was man zur Verfügung habe.