Berner Trinkwasser enthält vielerorts zu viel Chlorothalonil
Das Trinkwasser im Kanton Bern enthält an zahlreichen Orten zu viele Rückstände des Pestizids Chlorothalonil. Das zeigen amtliche Messungen des vergangenen Jahrs, welche der Kanton Bern am Donnerstag veröffentlichte.
Bei 37 Messungen wurden Konzentrationen von Chlorothalonil-Abbauprodukten über dem zulässigen Grenzwert gefunden. Dieser Grenzwert liegt bei 0,1 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser.
Vor allem im Seeland und im Oberaargau ist das Problem akut. Doch auch Trinkwasserversorger in weiteren Gebieten des Berner Mittellands kämpfen mit zu hohen Werten, etwa im Gürbetal zwischen Bern und Thun. Das teilte die kantonale Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion am Donnerstag mit.
Am meisten belastet war eine Trinkwasserprobe, welche im Oktober im Grundwasserpumpwerk Niederönz des Gemeindeverbands Wasserversorgung an der unteren Oenz entnommen wurde. Sie ergab einen Wert von 1,6 Mikrogramm des Chlorothalonil-Abbauprodukts R471811 pro Liter Trinkwasser.
Der Wirkstoff Chlorothalonil wird seit vielen Jahren in der Landwirtschaft in diversen Fungiziden, also Mitteln gegen Pilzkrankheiten, eingesetzt. Das Bundesamt für Landwirtschaft liess den Wirkstoff in den 70er-Jahren zu. Nun hat aber der Bund Chlorothalonil neu als «wahrscheinlich krebserregend» bezeichnet und die Anwendung per Anfang 2020 verboten.
Der Kanton Bern veröffentlichte die Resultate, nachdem die «Berner Zeitung» gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz Einsicht in die Messresultate verlangt und erhalten hatte. Sie schrieb am Donnerstag, schätzungsweise 180'000 Personen in 50 Gemeinden seien von zu hohen Chlorothalonil-Werten im Trinkwasser betroffen.
An einer Medienveranstaltung in Bern sagte der Berner Kantonschemiker Otmar Deflorin gleichentags dazu, diese Zahl sei schwierig einzuschätzen. Sie könne aber stimmen.
Die Wasserversorger mit zu viel Chlorathalonil müssten handeln. Eine Lösung bestehe beispielsweise darin, Wasser aus mehreren Fassungen zu mischen und dadurch die Konzentration von Chlorothalonil-Rückständen, sogenannten Metaboliten, zu verkleinern.
Der Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser sei aber sehr tief, so Deflorin weiter. Auf Erdbeeren seien 5000 Mikrogramm Chlorothalonil-Rückstände pro Kilo zulässig, also viel mehr. Der Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter sei auch kein toxikologisch begründeter Wert. Er sei so festgelegt worden, weil dieser Wert lange der gerade noch messbare gewesen sei.
Das Trinkwasser im Kanton Bern könne weiterhin bedenkenlos getrunken werden. Schnellschüsse seien nicht angebracht. Es gelte jetzt zu beobachten, wie sich das neue Chlorothalonil-Verbot auf die Trinkwasserqualität auswirke. Das brauche seine Zeit.
In den letzten Jahren sei über hundert Pflanzenschutzmitteln die Bewilligung entzogen worden. Chlorothalonil stehe derzeit einfach besonders im Fokus.
Schon am Dienstag hatte der Kanton Aargau bekanntgegeben, er gehe davon aus, dass zwei Drittel der Trinkwasserfassungen dieses Kantons erhöhte Rückstandswerte aufwiesen.
Es gibt auch Berner Wasserversorger, welche von sich aus über die Situation berichten, so etwa der Energie Service Biel. Er teilte am Mittwoch mit, im Trinkwasser der Städte Biel und Nidau seien zu hohe Konzentrationen festgestellt worden.
Roman Wiget, Geschäftsführer der Seeländischen Wasserversorgung SWG mit Sitz in Worben, sagte am Donnerstag im Regionaljournal Bern Freiburg Wallis von Schweizer Radio SRF, dieser Gemeindeverband prüfe eine Haftungsklage gegen das Bundesamt für Landwirtschaft. Dies, weil es in den 1970-er Jahren Chlorothalonil zugelassen habe.
Wegen der Probleme mit Chlorothalonil erwäge die SWG den Bau einer Anlage mit Umkehrosmose. So etwas koste eine Million Franken.