Eine Studie unter Leitung des ISPM der Universität Bern untersuchte den Zugang von Migrantinnen zum Schweizer Gesundheitssystem.
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Schafft es knapp nicht in die Top 100: Die Uni Bern. - Keystone

Die Schweiz verfügt über ein gutes Gesundheitssystem. Doch der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für verschiedene Bevölkerungsgruppen eingeschränkt. So nutzen Migrantinnen einige Versorgungsangebote wie etwa Früherkennungsmassnahmen seltener als die übrige Bevölkerung, obwohl sie häufiger unter chronischen Krankheiten leiden. Dennoch werden bis heute die betroffenen Frauen kaum beteiligt, wenn es darum geht, Lösungsansätze zu erarbeiten.

Hier setzte die MIWOCA-Studie (Migrant Women’s Health Care Needs for Chronic Illness Services in Switzerland) an: Ihr Ziel war, aus den Erfahrungen der Frauen mit chronischen Krankheiten und Migrationserfahrung zu lernen, aufzuzeigen, wie sie ihre Gesundheitsversorgung in der Schweiz erleben, und daraus Verbesserungsvorschläge abzuleiten. Die Empfehlungen betreffen Bereiche wie die Information über das Gesundheitssystem, die interprofessionelle Zusammenarbeit oder Aus- und Weiterbildungsangebote.

Die Studie wurde vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) in Zusammenarbeit mit den Universität Genf, Tübingen und Istanbul durchgeführt und vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 74 (Gesundheitsversorgung) finanziert.

Patientinnen im Zentrum der Forschung

Die Forschenden arbeiteten in jeder Phase des Projekts eng mit den Patientinnen zusammen: Zu Beginn wurden in Bern und in Genf insgesamt 48 Interviews mit je 12 Frauen aus Deutschland, der Türkei, aus Portugal und der Schweiz geführt. Nach der Analyse der Interviews wurden die Studienteilnehmerinnen in Fokusgruppen um ihre Rückmeldung und Einschätzung der Ergebnisse gebeten und diese gemeinsam diskutiert.

Die Perspektive der Teilnehmerinnen wurde ferner durch 12 Interviews mit medizinischen und sozialen Fachpersonen in Bern und Genf ergänzt. Schliesslich nahmen die Frauen auch in der dritten Phase des Projekts, in drei StakeholderDialogen, eine bedeutende Rolle ein. «Von den Frauen erfuhren wir, welche Probleme auftreten, aber auch welche Ressourcen sie haben, und was im Gesundheitssystem verbessert werden kann», erklärt Prof. Thomas Abel, Projektleiter der MIWOCA-Studie und Leiter der Forschungsgruppe «Social Environment» am ISPM.

Patientinnen nutzen und gestalten das Gesundheitssystem

Die Studienteilnehmerinnen wurden in der MIWOCA-Studie als aktive Akteurinnen (sogenannte «active agents») im Gesundheitssystem verstanden: Sie sind sowohl Nutzerinnen von, als auch Beitragende zur Gesundheitsversorgung. Die Studie konnte zeigen, wie unterschiedlich die Angebote genutzt werden und dass die Frauen dazu beitragen, Barrieren und Schwachstellen im Gesundheitssystem zu überwinden oder auszugleichen.

«Das soziale Netzwerk beispielweise nimmt in verschiedenen Belangen eine zentrale Rolle ein», sagt Abel. Dazu gehören Übersetzungshilfe, informelle Beratung beispielsweise bei komplizierten Versicherungsfragen oder bei der Suche nach einem passenden Arzt oder einer passenden Ärztin, finanzielle Unterstützung sowie Hilfe in der Alltagskoordination. Diese ist besonders bei chronischen Erkrankungen schwierig.

Diese Ressourcen und das Erfahrungswissen von Patientinnen wurden in der Studie systematisch erhoben und integriert. «Patientinnen werden so zu Ko-Produzentinnen ihrer eigenen Gesundheit einerseits und der Gesamtleistung des Gesundheitssystems andererseits», erklärt Abel.

Information soll verbessert werden

Basierend auf den erhobenen Daten wurden zehn konkrete Aufgabenbereiche identifiziert. In den Interviews mit den betroffenen Frauen wurde deutlich, dass besonders die Informationssituation über das Schweizer Gesundheitssystem für chronisch erkrankte, in der Schweiz neu ankommende Menschen unzureichend ist. Dieser Aspekt wurde systematisch aufgearbeitet in den Stakeholder-Dialogen mit Haus- und Fachärztinnen und -ärzten, Krankenversicherungen, Patientinnen- und Patientenverbänden, mit unterschiedlichen NGOs, dem Bundesamt für Gesundheit, der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren, dem Staatssekretariat für Migration, sowie der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe.

«Die Ergebnisse haben dabei gezeigt, dass gerade für diese Situation niederschwellige Informationsangebote in Gemeinden und Quartieren gestärkt oder neu aufgebaut werden sollten», sagt Abel. Weitere Empfehlungen betreffen die gezielte Förderung von Vertrauensbeziehungen zwischen Fachpersonen der Versorgung und Patientinnen, die Verbesserung des Einbezuges von Patientinnen und ihren Ressourcen in Entscheidungen über die Behandlung, die Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit, die Förderung des nicht-medizinischen unterstützenden sozialen Umfeldes sowie verbesserte Aus- und Weiterbildungsangebote.

Die Liste mit den konkreten Möglichkeiten soll nun helfen, den Zugang zu und die Qualität von Gesundheitsdiensten für bisher unterversorgte Gruppen zu verbessern.

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