Gaslighting - vom Filmtitel zum Fachbegriff der Psychologie
Wenn das Gegenüber die eigene Wahrnehmung manipuliert, dann wendet die Person Gaslighting an. Doch der Begriff stammt ursprünglich nicht aus der Psychologie.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein Opfer von Gaslighting zweifelt an den eigenen Erinnerungen und Eindrücken.
- Der Name der Manipulationstaktik entstammt allerdings nicht der Psychologie.
- Tatsächlich leitet er sich von einem berühmten Film mit Ingrid Bergmann ab.
Ein Filmdrama als Namensgeber für seelischen Missbrauch: 1944 kam die legendäre «Gaslight»-Verfilmung mit Ingrid Bergman ins Kino. Das sogenannte Gaslighting erscheint 80 Jahre später so aktuell wie nie.
Jemanden mit Lügen so zu manipulieren, dass das Opfer an der eigenen Zurechnungsfähigkeit, seinen Erinnerungen und Sinneseindrücken zweifelt, wird «Gaslighting» genannt. Der Begriff ist in den USA vor allem angesichts des turbulenten Treibens von Donald Trump sehr gängig geworden.
Doch auch im deutschsprachigen Europa wurde er – neben Wörtern wie etwa Ghosting – ein bekannteres Phänomen. Inspiriert wurde der Fachbegriff aus der Psychologie von dem mehrmals verfilmten Theaterstück «Gas Light» («Gaslicht») des englischen Schriftstellers Patrick Hamilton (1904-1962).
Ingrid Bergman gewann Oscar für «Gaslight»
Vor 80 Jahren – im Sommer 1944 – kam die wohl berühmteste Verfilmung heraus (zumindest in Nordamerika und Grossbritannien): «Gaslight» mit Ingrid Bergman. Die damals 29-jährige Schauspielerin bekam für ihre Rolle als Paula Alquist Anton 1945 den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Es war ihr erster von drei Oscars, und sie setzte sich bei der Oscarverleihung gegen Stars wie Bette Davis und Barbara Stanwyck durch.
Das titelgebende Gaslicht meint im Film das mysteriöse Flackern der Gasflamme in der Deckenbeleuchtung des geerbten Londoner Stadthauses. Bergmans Figur Paula macht es Angst, weil sie es sich nicht rational erklären kann. Bergman verkörpert in dem Klassiker, der Ende des 19. Jahrhunderts im viktorianischen England spielt, eine Frau, deren Ehemann einen Plan ausheckt, um sie in den Wahnsinn zu treiben.
Viel zu verliebt will Paula lange nicht wahrhaben, dass ihr Mann Gregory Anton (Charles Boyer) ein Dieb und Mörder ist, der ihre reiche Tante umgebracht hat und bloss Juwelen will. Anton redet Paula ein, dass die von ihr wahrgenommenen Schritte auf dem Dachboden und das Dunklerwerden des Gaslichts im Haus am Thornton Square bloss Einbildung seien.
Gaslighting ist ein umgangssprachlicher Ausdruck
Der psychische Missbrauch des sogenannten Gaslighting geschieht – wie in dem Film – oft innerhalb enger Beziehungen und über eine längere Zeit. Anfangs ist das Opfer verwirrt. Nach einer Weile aber fängt es an, an seinem Geisteszustand zu zweifeln und die falsche Realität des Gaslighters zu übernehmen. Im Extremfall traut das Opfer der eigenen Wahrnehmung nicht mehr, unterwirft sich der behaupteten Wahrheit des Missbrauchstäters.
Der Psychologenverband APA (American Psychological Association) betont, «Gaslighting», auf Deutsch «jemanden gaslichten», sei eher umgangssprachlich, auch wenn der Begriff gelegentlich in der klinischen Literatur auftauche. Beim Gaslighting handelt es sich um Taktiken, die Personen mit antisozialer (gar narzisstischer) Persönlichkeitsstörung anwenden. Gaslighting-Opfer können einen erheblichen Verlust ihres Selbstwertgefühls erleiden und psychisch schwer erkranken.
Donald Trump wendet Gaslighting an
Vor anderthalb Jahren kürte das amerikanische Wörterbuch «Merriam-Webster» den Begriff Gaslighting zum Wort des Jahres. Es handle sich, so hiess es Ende 2022, um ein abscheuliches Mittel, das in Paarbeziehungen, in der Familie, im Freundeskreis, aber auch in Medien und Politik vorkomme.
Es könne auch Unternehmenskalkül sein, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Zudem gebe es medizinisches Gaslighting, etwa wenn Fachpersonal die Symptome oder Krankheiten eines Patienten abtue – Motto: «Das ist alles nur in Ihrem Kopf.»
Psychologen sehen Gaslighting auch als eine Strategie von Populisten, extremen Politikern, Autokraten oder Terrororganisationen.
Der Psychotherapeut und Bestsellerautor Bryant Welch konstatierte schon früh, dass Donald Trump die Taktik regelmässig anwende. Es gehe darum, Verwirrung zu stiften, etwa das Vertrauen in etablierte Medien zu untergraben und stetig die eigene Weltsicht zu verbreiten, dem Volk und der Öffentlichkeit eine gefakte Version der Realität unterzujubeln, so Welch («State of Confusion: Political Manipulation and the Assault on the American Mind»).
«Gaslighting» erst seit kurzem gebräuchlich
Der Wortgeschichte von Gaslighting ging der langjährige Journalismus-Professor Ben Yagoda im Jahr 2017 auf den Grund. Demnach spielten in den 50ern einige Sitcoms auf das fiese Vorgehen von Boyers Figur aus dem Hollywood-Film von 1944 an.
In den 1960er Jahren fand der Begriff seinen Weg vom Film in die Wissenschaft. Als Verb kam «to gaslight» wohl erstmals bei dem Anthropologen Anthony F. C. Wallace vor («Culture and Personality», 1961).
In die Alltagssprache gelangte das Wort in den 1980ern. Er selbst habe es erstmals 1989 gehört, als er die 19-jährige Uma Thurman für den «Rolling Stone» interviewt habe, schrieb Yagoda. In den allgemeinen Sprachgebrauch integriert wurde Gaslighting aber erst in den letzten rund acht Jahren. Den Schub brachte Trump – der 2024 nach wie vor aktuell ist.