UniBE: Vier ERC Starting Grants für Berner Forschende
Vier Forschende der Universität Bern erhalten vom Europäischen Forschungsrat (ERC) je einen der begehrten «Starting Grants».
Der Europäische Forschungsrat (ERC) gab die Namen der Forschenden bekannt, die einen der begehrten «Starting Grants» erhalten. Die Starting Grants sind Teil von «Horizon 2020», dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union.
Von den Fördergeldern profitieren auch vier Forschende der Universität Bern. Sie erhalten je 1.5 Millionen Euro.
Der Erfolg bei dieser kompetitiven europäischen Ausschreibung sei einerseits ein Beleg dafür, dass die Berner Forschenden hervorragend seien, sagt Daniel Candinas, Vizerektor Forschung der Universität Bern: «Andererseits zeigt es auch, dass Projekte aus Bereichen gefördert werden, die schon lange zu unseren strategischen Themenschwerpunkten gehören – und die hochaktuell und in Europa relevant sind.» Zudem sei es wichtig, wenn sich Schweizer Forschende im europäischen Umfeld vernetzten, betont Candinas.
Natürliche Schädlingsbekämpfung fördern
Interaktionen zwischen Pflanzen, Pflanzenschädlingen und den natürlichen Feinden der Schädlinge sind sogenannte tritrophische Interaktionen. Sie haben einen wichtigen Einfluss auf ökologische Prozesse und Ernteerträge.
Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass Pflanzen die Anwesenheit von Schädlingen wahrnehmen und darauf reagieren können. Die Mechanismen dieser Reaktionen sind jedoch weitgehend unbekannt, ebenso die Art und Weise, wie sie die tritrophen Interaktionen in der Natur beeinflussen.
Ziel des Projekts PRENEMA von Christelle Robert vom Institut für Pflanzenwissenschaften (IPS) ist es, die Reaktionen der Pflanzen auf die dritte trophische Ebene, die natürlichen Feinde der Schädlinge, als einen bisher übersehenen Mechanismus zu definieren, der die tritrophischen Interaktionen steuert. Zu diesem Zweck kombiniert PRENEMA einen interdisziplinären Ansatz, der unter anderem ein ökologisch und landwirtschaftlich relevantes tritrophes Modellsystem umfasst. Das Modellsystem besteht aus Mais und dessen wildem Vorfahren Teosinte, dem gebänderten Gurkenkäfer (Diabrotica balteata) – einem Schädling, der Maiswurzeln befällt – und dessen natürlichem Feind, dem Fadenwurm Heterorhabditis bacteriophora.
Ökologische Folgen der Pflanzenreaktionen
PRENEMA wird unter anderem ein neuartiges System entwickeln, um Proben von chemischen Stoffen aus den Wurzeln zu extrahieren, und Veränderungen im Metabolismus der Pflanze nach Exposition gegenüber den Fadenwürmern zu untersuchen. Zudem werden Robert und ihr Team nach molekularen Mustern suchen, die für die Auslösung von Pflanzenreaktionen verantwortlich sind.
In einem Feldversuch werden anschliessend die ökologischen Folgen der Pflanzenreaktionen für Pflanzen, Pflanzenschädling und Fadenwürmer gemessen. «Das Wissen und die Technologie, die wir durch PRENEMA gewinnen, werden dazu beitragen, neue Ansätze für die natürliche Schädlingsbekämpfung zu entwickeln», sagt Robert.
Der ERC Starting Grant biete ihr und ihrem Team die Möglichkeit, ein neuartiges ökologisches Phänomen zu untersuchen: «Das Institut für Pflanzenwissenschaften mit seinem interdisziplinären Ansatz biete dafür das perfekte Umfeld.» Zudem ist Robert für die Unterstützung und enge Begleitung durch die Universität Bern bei der Bewerbung für den ERC Starting Grant dankbar: «Speziell Frauen und Nachwuchsforschende erhalten für ihre Forschung grossartigen Support.»
Entwöhnung und Darmflora als Schlüssel für unser Immunsystem
Bei Neugeborenen wird die Bildung der Darmflora zunächst durch Bestandteile der Muttermilch angeregt. Wenn feste Nahrung eingeführt wird, entwickelt sich die Darmflora, und Bakterien vermehren sich.
Die enorme Ausbreitung der Darmbakterien während der Entwöhnung von Neugeborenen von der Muttermilch führt zu einem Immungedächtnis, das wichtig ist, um die Anfälligkeit auf Allergien und chronische Entzündungskrankheiten im späteren Leben zu verringern. Eine übermässige Exposition gegenüber Antibiotika oder eine fettreiche Ernährung bei der Entwöhnung dereguliert das Immunsystem und erhöht die Anfälligkeit für die Entwicklung entzündlicher Krankheiten im Erwachsenenalter.
«In unserem Projekt wollen wir feststellen, wie Ernährung und Mikroorganismen die Entwicklung unseres Immunsystems beeinflussen und das Immungedächtnis orchestrieren; und wie eine Störung dieser Interaktionen zu einer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten führt», sagt Zian Al Nabhani vom Department for BioMedical Research (DBMR). «Unser langfristiges Ziel ist es, die Entwicklung solcher entzündlicher Krankheiten zu verhindern, indem Neugeborene mit nützlichen Bakterien oder bakteriellen Produkten versorgt werden – und solche Krankheiten später im Leben durch eine auf Mikrobiota basierenden Therapie zu behandeln», sagt Al Nabhani.
Für das «WePredict» werden Al Nabhani und sein Team sogenannte Hochdurchsatz-Sequenzierungs-Lernalgorithmen sowie spezielle Mausmodelle verwenden. «Das aussergewöhnliche Netzwerk zwischen verschiedenen Gruppen an der Universität Bern und am Inselspital wird wichtig sein, um meine Ziele zu erreichen», sagt Al Nabhani.
Ein «Kompass» für Umweltgerechtigkeit
Ein noch nie dagewesenes Mass an Marktkonzentration in den Wertschöpfungsketten der Agrar- und Ernährungswirtschaft verstärkt globale Ungleichheiten. Der damit verbundene Landraub («Land Grabbing») bedroht die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen.
Es ist daher eine dringende Herausforderung, die Auswirkungen von landwirtschaftlicher Landnutzung, Investitionen und Handel auf das menschliche Wohlergehen neu zu gestalten. Um dieser Aufgabe zu begegnen, wurden gemeinsame Strategien entwickelt: Zertifizierungssysteme wie «FairTrade», Initiativen von inklusiven Unternehmen oder solidarwirtschaftiche Initiativen. Inklusive Unternehmen sind Partnerschaften zwischen Agrarunternehmen und Kleinbauern, die darauf abzielen, letztere auf gerechte Weise in kommerzielle Wertschöpfungsketten zu integrieren.
Beispiele dafür sind Joint Ventures und sogenannte Outgrower-Programme. Initiativen der Solidarwirtschaft sind selbstorganisierte, bedarfsorientierte Initiativen von Gemeinschaften landwirtschaftlicher Produzenten und Lebensmittelkonsumenten, wie direkte Handel und die von der Gemeinschaft unterstützte Landwirtschaft.
Umweltgerechtigkeit als eine notwendige Voraussetzung
«Empirische Studien zeigen jedoch, dass auch diese drei Strategien das Wohlergehen der betroffenen Bevölkerung nicht generell steigern», sagt Christoph Oberlack vom Centre for Development and Environment (CDE). Zudem handelt es sich vornehmlich um Strategien aus dem privaten Sektor, bei denen staatliche Akteure nur begrenzt daran beteiligt sind.
Ausgehend von der These, dass Umweltgerechtigkeit eine notwendige Voraussetzung für menschliches Wohlergehen ist, untersucht und vergleicht Christoph Oberlack mit seinem Team systematisch die drei Strategien bezüglich ihrer Instrumente, Auswirkungen auf das menschliche Wohlergehen und auf die institutionelle Verankerung von Umweltgerechtigkeit. Das Projekt «COMPASS» zielt darauf ab, anhand der Kakao- und Kaffeesektoren von Peru und der Schweiz einen «Kompass» zu entwickeln, wie sich unter Einbezug der Umweltgerechtigkeit Wertschöpfungsketten fair organisieren lassen.
«Zudem fördert das Projekt das bessere Verständnis, wie öffentliche Politik, Eigentumsrechte und die Strukturen von Wertschöpfungsketten diese Dynamik beeinflussen», sagt Oberlack. In seinem Projekt werden in einem Teilbereich Teammitglieder in Peru arbeiten und unter anderem mittels Interviews mit Kaffeebauern und Kakaobäuerinnen die Einflüsse der drei Strategien auf deren Wohlergehen ermitteln.
Nano-Kohlenwasserstoffe für Nano- und Biotechnologie
Kohlenstoff-Nanoröhren (sogenannte CNTs) sind mikroskopisch kleine röhrenförmige Gebilde aus Kohlenstoff. Sie gelten als vielversprechendes Material für verschiedene Bereiche, wie etwa der organischen Elektronik. Ihre Synthese gestaltet sich jedoch schwierig, weil sich die CNTs in ihrer Länge, ihrem Durchmesser und der feinen Struktur ihrer Kanten unterscheiden können. Diese bestimmen jedoch ihre Eigenschaften.
Gleichzeitig sind einzelne CNTs nur schwer aus einem Gemisch verschiedener Röhrchen zu lösen. Daher wurde versucht, mittels «molekularer Samen» oder Vorläufern von CNTs, sogenannten gekrümmten molekularen Nanokohlenwasserstoffen, CNTs mit spezifischen Eigenschaften zu synthetisieren.
Obwohl dies nur teilweise gelang, zeigte sich, dass die Krümmung den Nanokohlenwasserstoffen ungewöhnliche und nützliche Eigenschaften verleiht. «Kleine gekrümmte molekulare Nanokohlenwasserstoffe sind bei organischen Materialien ein entscheidender Faktor, und in den letzten zwei Jahren sind rasch neue aufregende Anwendungen in den Bereichen Bioabbildung, Sensorik, Katalyse und organische Elektronik entstanden», sagt Tomás Solomek vom Departement für Chemie und Biochemie (DCB).
Er möchte noch komplexere Kohlenstoff-Nanostrukturen untersuchen, wie zum Beispiel doppelwandige CNTs, die sich bilden, wenn eine Röhre mit kleinerem Durchmesser in eine mit grösserem Durchmesser eingesetzt wird, oder Kohlenstoff-Nanorollen, die man erhält, indem man sogenanntes planares Graphen aufrollt, so wie man ein Blatt Papier aufrollen würde. «Bis heute gibt es jedoch keine analogen molekularen Vorläufer für topologisch komplexere Kohlenstoff-Nanostrukturen – das möchten wir mit TOPOCLIP ändern», erklärt Solomek.
Entwicklung reaktionsfähiger Nanokohlenstoffe
Mit dem ERC Starting Grant möchte er sein Team ausbauen und untersuchen, welche Auswirkungen die räumliche Anordnung von neuen molekularen Kohlenstoff-Nanostrukturen auf ihre Eigenschaften haben. Das Projekt TOPOCLIP soll dabei Pionierarbeit leisten und reaktionsfähige Nanokohlenstoffe entwickeln, die ihre Form durch einen äusseren Impuls, wie zum Beispiel Licht, verändern können.
Solomek und sein Team möchten in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen an der Universität Bern die Rolle erforschen, die die molekulare Topologie für zukünftige Anwendungen in der Nano- und Biotechnologie spielen kann. «Ich freue mich, an die Universität Bern zu kommen», sagt Solomek, der gegenwärtig an der Universität Basel ist.
«Das DCB ist ein attraktiver Standort für exzellente Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt, und ich freue mich sehr darauf, mit verwandten Forschungsbereichen zusammenzuarbeiten und gemeinsam mit meinen zukünftigen Kolleginnen und Kollegen neue Ideen zu entwickeln.»